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home » tagebuch » 16.07.2004
TAGEBUCH: 16.07.2004 notes of a dirty old man

Jammertal

Jammertal

Als ich gestern aufstand und eher zufällig in den Spiegel blickte, ekelte ich mich vor mir selber, denn mich starrte ein selbstmitleidiger Jammerlappen an.

Es mag sein, dass die letzten Tage nicht gut zu mir waren, angefangen mit dieser sinnlosen Schlägerei (21.05.04), die eine Not-OP (26.05.04) zur Folge hatte, durch die ich eine Niere verlor. Aber war das heute noch ein Grund, um zu jammern? Immerhin war ich am Leben und eine gesunde Niere war gar nicht so schlecht, eigentlich hatte sich mein Leben doch gar nicht geändert.

Warum mich die Geschichte mit Julia (08.07.04) so berührte, konnte ich mir selber nicht erklären. Wenn man es objektiv betrachtet, dann hatte ich mich doch von ihr getrennt (05.04.04) und nicht andersherum. Nicht sie war die blöde Kuh, sondern ich hatte mich wie ein Arschloch (06.04.04) aufgeführt.

Über das unangenehme Intermezzo 'Magen-Darm-Infektion' (14.07.04) zu klagen, wäre geradezu lächerlich. Okay, ich fühlte mich beschissen, aber so etwas kommt vor. Aber ich hatte es ohne nachhaltige Folgen überstanden.

'Warum also jammern?', rief ich lauthals, lachte mein deprimierendes Spiegelbild aus und verpaßte ihm dann einen rechten Haken mitten auf die Nase. Der Spiegel zerbrach klirrend, fiel aber nicht auseinander, sondern reflektierte weiterhin mein Abbild. Jetzt allerdings durch die zahlreichen Brüche im Glas lächerlich entstellt, doch erst jetzt erkannte ich mich.

Ich ging ins Wohnzimmer, um mir den Tag anzusehen. Der Blick aus dem Fenster war trostlos und weckte Assoziationen an den November. Eigentlich war's mir egal. Aber ich würde dem Herrn Kachelmann trotzdem auf die Schnauze hauen, würde er mir je unter die Augen kommen. Schon alleine wegen seines lächerlichen Barts.

Während ich mir einen Kaffee kochte rieb sich mein treuer Freund Bruce an meinen Beinen. Die kleine Töle war einfach nur da, schlich um mich rum, und trotzdem war ich ergriffen über soviel Zuneigung. Ich streichelte ihn und tollte mit ihm herum. Noch bevor ich meine erste Tasse Kaffee trank, gab ich Bruce etwas zu Fressen und ging dann mit ihm Gassi. Dabei beeindruckte mich der Regen, der unaufhörlich meine Kleidung durchweichte, überhaupt nicht. Ich freute mich auf den heißen Kaffee, der beim Betreten meiner Wohnung auf mich warten würde. Ich freute mich auf all die Möglichkeiten, die dieser Tag noch bieten würde. Es waren undenkbar viele. Ich könnte heute noch alles tun und mir könnte heute noch alles widerfahren. Und wenn das Glück mich nicht heute finden würde, dann vielleicht morgen. Oder übermorgen. Ich hatte mein Blatt längst noch nicht ausgereizt. Meine Zeit würde kommen.

Beflügelt von meinen Gedanken rief ich Walter an.

'Ja?', knurrte mir ein missgelaunter Walter entgegen, den ich ganz offenbar geweckte hatte.

'Lass uns heute etwas anstellen! Lass uns die Welt erschüttern!'

'Hank? Bist Du es? Natürlich bist Du es! Verrücktes Arschloch! Sag mal, weißt Du eigentlich wie spät es ist? Ich sag es Dir, es ist zu fruh! Zu früh zum Telefonieren. Zu früh für Welteroberungspläne! Und vor allem ist es zu früh dafür, betrunken zu sein! Ich hoffe Du bist betrunken, denn das wäre eine Erklärung. Du verdammtes Arschloch! Was ist mit Dir los?'

'Hab ich Dich geweckt? Tut mir leid, das wollte ich nicht!'

'Halt bitte die Fresse! Ob Du mich geweckt hast? Mann, es ist 5:37 Uhr! Natürlich hast Du mich geweckt. Und Du gehst mir momentan tierisch auf die Eier! Lass uns später noch mal quatschen. Dann habe ich vielleicht vergessen, dass ich Dich töten will!'

Walter legte auf. Ich war wieder alleine mit Bruce, dem Telefon und mir. Ich überlegte, ob ich Cris, Caro, Bob oder irgendjemand anderen anrufen sollte. Vielleicht Julia oder Samira. Aber was sollte das bringen?

Walter hatte Recht, es war einfach zu früh. Um diese Uhrzeit konnte man die Welt noch nicht erobern, man musste sie erst wecken. Aber dann würde man riskieren, dass sie einen unausgeschlafen, missmutig und hässlich begrüßen würde. Dazu fehlte mir der Mut. Ich legte mich wieder ins Bett...

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