Die Affeninsel
Gestern war irgendein Feiertag (Vatertag?) und das Wetter
war freundlich. Es sprach also alles für ein, zwei gepflegte
Biere unter freiem
Himmel.
Ich fuhr am frühen Nachmittag auf meinem Hollahnrad
in den Hafen. Mein Ziel war das Monkey Island, die Affeninsel,
oder wie mein Freund und Begleiter Jeff immer sagte, die Insel
der Lackaffen.
Wenn man es nüchtern betrachtete, war das Monkey Island
ein Biergarten im Sand, oder vielmehr im Sandkasten. Alles
war künstlich und gekünzelt. Der Sand. Die so genannten
Strandbars. Und vor allem das Publikum, schöne hippe
Menschen, die ihr Ego Gassi führten.
Und trotzdem war das Monkey Island ein guter Ort zum abzuhängen
und um überteuertes Bier
zu trinken. Jeff und ich tranken reichlich. Ließen die
Sonne auf uns niederscheinen. Redeten belangloses Zeug. Und
frönten, versteckt hinter den dunklen Gläsern unseren
Sonnenbrillen, dem Gaffen.
Es gab viel zu gaffen. Egal wie affektiert das Publikum zum
Großteil war, teilweise war es auch sehr attraktiv.
Während ich Jeff nicht zuhörte, eine Zigarette
rauchte und an meinem Bier
nippte, ließ ich meinen Blick prüfend über
die Menschenansammlung schweifen. Links von mir, zwei Tische
weiter, fiel mir eine Blondine mit ihren atemberaubenden Rundungen
und einem betörenden Lächeln auf. Sie trank Radler
und unterhielt sich angeregt mit einer anderen Frau, von der
ich lediglich die Rückseite sah. Leider konnte ich die
Augen der hübschen Unbekannten nicht sehen, da sie, wie
ich, diese hinter einer Sonnenbrille versteckte.
Ich dachte darüber nach, ob man sich in einen Menschen
verlieben kann, wenn man dessen Augen nicht kennt. Eigentlich
nicht, dachte ich, aber dieses Mädchen war dabei mir
das Gegenteil zu beweisen.
Als Jeff aufstand, um neues Bier zu holen, zögerte ich
nicht lange und ging rüber zu der Blondine. Aus der Nähe
betrachtet, war sie noch hübscher, was ich nicht erwartet
hatte. Ich setzte mich neben sie auf die Bank und sprach sie
an:
'Hey! Was muss ich anstellen, um Deine Augen zu sehen?'
'Lahm! Verdammt Lahm diese Anmache, oder was meinst Du, Sarah?',
sagte die Blondine zu ihrer Freundin, die auch auffallen attraktiv
war und zu lachen begann. 'Der Typ will meine Augen sehen
und trägt selber eine Sonnenbrille.'
'Entschuldigung, ich höre jedes Wort!'
'Rede ich mit Dir?', ätzte sie mich an.
Es lief nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Ich fühlte
mich, als ob ich mit Anlauf gegen die Wand geknallt wäre.
'Okay, wir reden nicht miteinander. Darf ich denn noch wenigstens
eine zeitlang dieselbe Luft wie Du atmen, bevor ich mich voller
Selbstverachtung in den Tod stürze? Hören heißt
gehorchen.'
Sie lachte, was kein schlechtes Zeichen sein konnte.
'Und? Darf ich?', setzte ich nach.
'Es sei Dir gewährt.', sagte sie noch immer lachend.
'Und?', fragte ich.
'Und was?', erwiderte sie und schenkte mir ein Lächeln.
'Welches Bein muss ich mir ausreißen, um Deine Augen
zu sehen? Das linke oder das rechte?'
'Ich habe zu Hause schon genug ausgerissene Beine, das ist
kein Anreiz.'
Ich nahm meine Sonnenbrille ab und entzündete mir eine
Marlboro, wobei ich ihr fest ins Gesicht blickte.
'Wie kann ich Dich denn dann dazu bewegen, mir Deine Augen
zu zeigen?'
'Beweis mal etwas Phantasie!'
Plötzlich merkte ich einen festen Griff auf meiner rechten
Schulter.
'Was glaubst Du, was Du hier zu suchen hast?', fragte mich
ein ärgerlich dreinblickender Bodybilder.
'Bleib locker!", entgegnete ich, 'Ich unterhalte mich
mit dieser Lady. Du störst uns gerade.'
'Ich störe niemals, Du Arsch!', knurrte das Muskelpaket
und fasste mich noch etwas heftiger an.
Ich versuchte mich aufzurichten, aber dieser unangenehme
Klops drückte mich wieder nach unten. Ich unternahm eine
Ausweichbewegung, mit der ich seine Pranke von meiner Schulter
schüttelte und machte einen flinken Sprung in die Höhe,
jetzt stand ich vor dem Kerl und schaute ihm mitten ins Gesicht.
Nichts an ihm erschien freundlich. Sein Körper war gespannt
und zum Sprung, zum Angriff, bereit. Ich stand einem verdammten
Pitbull gegenüber.
Aus dieser Situation würde ich nicht unbeschadet rauskommen,
das war mir klar. In mir stieg echte Angst auf, aber auch
Adrenalin.
'Hey, was willst Du von mir? Ich habe mich lediglich mit
dieser Lady unterhalten. Mehr nicht!'
Ich blickte meinem Gegenüber tief in die Augen. Er starrte
regungslos zurück. In seinem Blick erkannte ich brutalen
Hass.
Trotz aller Angst explodierte ich. Meine rechte Faust sauste
voran und traf ihn im Gesicht. Was ihn nicht beeindruckte.
Auch mein nachgesetzter Körpertreffer mit der linken
zeigte keine Wirkung. Meine Taktik, Angriff ist die beste
Verteidigung, war wirkungslos. Stattdessen bäumte sich
mein Gegner auf und schlug mir mit seiner stählernden
Faust ins Gesicht. Es fühlte sich wie ein Dampfhammer
an. Ein unfassbarer Schmerz stach mir zwischen die Augen und
ich verlor die Balance und ging augenblicklich zu Boden. Das
reichte dem wild gewordenen Pitbull aber noch nicht. Er trat
auf mich ein und ich hörte meine Rippen krachend brechen.
Als ich bereits dabei war, Blut zu spucken und meine Schmerzen
unerträglich wurden, verabschiedete ich mich in die Bewusstlosigkeit.
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