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home » tagebuch » 28.09.2004
TAGEBUCH: 28.09.2004 notes of a dirty old man
Dirty Deeds 79
Auge

Nebel

"Wissen wäre fatal. Die Ungewissheit ist es, die uns reizt. Ein Nebel macht die Dinge wunderschön."
[Oscar Wilde]

Schon seit Wochen schob ich einen unangenehmen, aber unausweichlichen, weil notwendigen, Termin vor mir her. Einmal im Jahr musste ich mich einer umfangreichen und unangenehmen ärztlichen Untersuchung unterziehen. Ärzte können durchaus nette Menschen sein, ich kenne solche, aber trotzdem mache ich, wann immer einen großen Bogen um diesen Berufsstand. Meine Philosophie ist ganz einfach, auch wenn sie unglaublich naiv und sträflich kurzsichtig ist, aber solange mir kein Arzt sagt, dass ich krank bin, bin ich gesund.

Es gibt allerdings gewisse Umstände, die den Besuch eines Arztes unausweichlich machen. Kleinere Wunden verpflastere ich selbst, aber einen Knochenbruch oder eine Schussverletzung lasse ich dann doch lieber von einem ausgebildeten Experten behandeln. Auch muss ich zugeben, dass ich nicht im Stande bin, chemische Analysen und pathologische Untersuchungen vorzunehmen.

Und genau deshalb ist es leider notwendig, dass ich mich einmal pro Jahr einer fachkundigen und intensiven Untersuchung unterziehen muss. Ich habe eine recht seltsame Allergie, die mich dazu zwingt, ein Medikament regelmäßig zu mir zu nehmen, dessen Nebenwirkungen sich auf meine Sehfähigkeit auswirken könnten.

Einmal im Jahr war es angeraten, sich über den Zustand meiner Augen und die möglicherweise auftretenden Auswirkungen der medikamentösen Behandlung Gewissheit zu verschaffen.. Dafür waren zahlreiche aufwendige Untersuchungen nötig, die kein normaler Augenarzt, sondern nur die Uni-Klink durchführen konnte.

Ich mochte keine Menschen in weißen Kitteln und ich mochte keine Krankenhäuser, deshalb erfand ich immer wieder neue Ausreden, um mich vor der klinischen Untersuchung zu drücken.

Mir war die Prozedur hinlänglich bekannt. Ich hatte sie schon mehrmals über mich ergehen lassen. Ich wusste ganz genau, was mir bevorstand und genau deshalb zögerte ich es immer wieder heraus. Aber um ehrlich zu sein, schlussendlich läuft es immer wieder auf die schlichte Frage hinaus: 'Mann oder Memme?'

Ich ging ins Klinikum und stellte mich all der quälenden Untersuchungen. Ich ließ mir Tollkirsche (Atropin) direkt ins Auge träufeln, was die Pupillen weitet. Ich versuchte möglichst nicht zu blinzeln, als Elektronen auf meinen Pupillen angebracht wurden. Ich saß geduldig eine kleine Ewigkeit in einem schwarzen Raum, nur um mich danach von einem furchtbaren Blitzgewitter malträtieren zu lassen. Lichtblitze brachen über mich herein und ich hatte Angst, entweder einen epileptischen Anfall zu kriegen oder Wahnsinnig zu werden.

Die Untersuchungen dehnten sich über einen halben Tag aus. Am Ende fühlte ich mich wie ein Zombie. Ich sah auch so aus. Ich war bleich wie ein Toter und meine Pupillen waren vom Atropin so sehr geweitet, dass meine Iris nicht mehr zu erkennen war, statt dessen war meine Pupille schwarz, was meinen Augen einen unnatürlichen und unheimlichen Ausdruck verlieh.

Das Gift der Tollkirsche bewirkte nicht nur, dass meine Augen Horrorfilm tauglich entstellt waren, sondern auch, dass mir der Durchblick fehlte. Vor meine Augen schob sich ein milchiger Nebel, durch den ich keinen klaren Blick mehr auf die Welt bekam. Ha! Als ob ich den je gehabt hätte!

Vor meinen Augen verschwammen die Konturen. Die Welt verlor an Kontrast und Tiefenschärfe. Ich war umgeben von einem matschigen bunten Brei, in dem ich, wie in einem Sumpf, versank. Ich verlor mich im Nebel.

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