Tollkirsche
Bestimmungsmerkmale:
Die Tollkirsche trägt glockige, außen braunviolette
und innen gelbgrün gefärbte Blüten mit 5 Blütenblättern.
Die Blüten werden bis zu 3 cm groß und stehen einzeln
zwischen den oberen Laubblättern.
Diese sind eiförmig und in den Stiel herablaufend.
Es stehen meist ein kleines und ein großes Blatt zusammen.
Die Pflanze wird bis zu 150 cm hoch.
Die Tollkirsche blüht von Juni - August, danach bildet
sie ihre schwarzen, glänzenden, kirschgroßen Beeren.
Insbesondere Kinder sollte man auf die Unterschiede zwischen
einer echten Kirsche und einer Tollkirsche aufmerksam machen.
Die Eßkirsche hat einen Stein, während in der
Tollkirsche einzelne Samen sitzen. Weiterhin hängt die
Eßkirsche an langen, dünnen Stielen und hat keinen
ansitzenden Kelch. Die Tollkirsche hingegen sitzt an einem
recht kurzen, dicken Stiel und hat einen breiten, ansitzenden
Kelch..
Standort und Verbreitung:
Die Tollkirsche gedeiht an warmen Waldrändern, an Kahlschlägen
und auf Lichtungen in Laub- und Laubmischwäldern. Sie
braucht humusreichen und etwas kalkhaltigen Boden.
Man findet sie in Mittel- und Südeuropa, im Norden
bis Nordengland, im Osten bis zur Ukraine.
Giftstoffe, Wirkung und Symptome:
Die Pflanze enthält die Alkaloide Atropin,
(S)-Hyoscyamin und Scopolamin. Das Atropin,
das sowohl in der Tollkirsche wie im Stechapfel vorkommt,
ist in Wirklichkeit eine Mischung aus (S)-Hyoscyamin und (R)-Hyoscyamin.
Der Giftgehalt der Tollkirsche ist entsprechend des Standortes
stark verschieden.
Gerade die Beeren sind für Kinder eine große
Gefahr. Sie werden, wie schon erwähnt, leicht mit Kirschen
verwechselt und schmecken obendrein noch süß.
Die tödliche Dosis liegt bei Kindern zwischen 3 und
5, bei Erwachsenen zwischen 10 und 20 Beeren.
Die typischen Symptome einer Tollkirschenvergiftung sind
Pupillenerweiterung (Glanzaugen), fehlendes Erbrechen, trockene,
gerötete und heiße Haut. Ferner kommt es zu Trockenheit
der Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich, was Sprach-
und Schluckstörungen zur Folge hat sowie zu Pulsbeschleunigung.
Bei starker Vergiftung befällt den Patienten Unruhe,
er leidet unter Weinkrämpfen und Rededrang sowie unter
Tobsuchtsanfällen. Bei entsprechender Vergiftung kommt
es zur Bewußtlosigkeit und zum Tod durch Atemlähmung.
Heilwirkung und Medizinische Anwendung:
Die Tollkirsche findet medizinische Anwendung in der Augenheilkunde;
sie wirkt krampflösend bei Epilepsie und Asthma und wird
bei Erkrankungen der Luftwege (Bronchitis, Reizhusten) eingesetzt.
Ferner hemmt sie die Drüsensekretion und wird zur Behandlung
des Parkin-sonismus genommen.
Atropin ist auch ein wirksames
Gegengift und wird vom Militär als Mittel gegen Nervengas
gelagert.
Name:
Wegen der Ähnlichkeit der Früchte mit Kirschen
und der Giftwirkung auf den Menschen (Tobsucht), nannte man
die Pflanze Tollkirsche. Weitere Namen waren Teufelskirsche,
Wolfsbeere und Dollwurz.
Der Gattungsname Atropa stammt aus der griechischen Sage.
Atropa war einer der 3 Parzen, der den Lebensfaden durchschneidet,
so wie das auch die Tollkirsche vermag. Der Artname bella-donna
heißt schöne Frau, da der Saft der Beeren zur Pupillenvergrößerung,
somit zu schönen Augen und als Kosmetika genommen wurde.
Geschichtliches:
Die Tollkirsche wurde schon von Paracelsus (1493 - 1541)
erwähnt.
Sie diente früher als Heilmittel, wurde aber auch zu
Giftmorden gebraucht.
Besonders im Aberglauben und Hexenkult des Mittelalters
spielte die Pflanze eine große Rolle. In Liebestränken
und in den Hexensalben war unter anderem Tollkirsche enthalten;
auf die Haut aufgetragen führte sie zu real erlebten
Wahnvorstellungen, wie z.B. der Vorstellung zu fliegen.
In Hexenprozessen wurden die Angeklagten gezwungen Tollkirsche
zu essen, wonach sie sich oft im Wahn selbst beschuldigten.
Die Tollkirsche gehört neben dem Bilsenkraut und dem
Stechapfel zu den “klassischen Hexendrogen”.
Auch die Kräuterbücher des Mittelalters beschreiben
die Wirkungen der Pflanze. Hieronymus Bock empfiehlt sie bei
Leber- und Magen Entzündung, bei Augen- und Ohrenleiden
und als Wundsalbe. Er schreibt aber auch:
wann du aber dessen zuvil wolltest brauchen
so würt es dir bekommen wie dem Mann von Erbach bei Hohenburg
Anno 1541. Gieng der selb man im Wald
unnd als er ungfähr diß gewächß mit
seinen lustigen Beeren ersahe
aß er der selben eine gute schüssel voll
ward aber darnach am andern tag so Doll unnd ungeschickt
das man ihnen wolt gehn Widersdorff haben gefürt
Und bei Mattioli lesen wir:
So man die Beer isset, machen sie denselben
menschen so fast toll und unsinnig, als hette jn der teuffel
besessen und bringen jn in tieffen unüberwiendlichen
schlaff.
Außer der schon erwähnten kosmetischen Anwendung,
setzte man den Tollkirschensaft in einigen Alpenländern
auch Bier und Wein zu, was die Wirkung dieser Getränke
noch steigerte.
|