Like John Lennon did
Ich entstieg unbeschwert, wie ein frisch geschlüpftes
Kücken, meinem Bett und erwartete den kommenden Tag.
Ein wunderbarer Abend lag hinter mir und ich war voller Zuversicht
für alles, was auf mich warten würde.
Meine Laune war ungetrübt und so entschied ich mich,
direkt nach dem Frühstück einen Barbier aufzusuchen.
Ein Haarschnitt sollte eigentlich eine ganz einfache und
schnelle Angelegenheit sein. Eigentlich!
Sobald ein so genannter Frisör versucht mit mir eine
Kommunikation aufzubauen, klingeln bei mir alle Alarmglocken.
Ich gehe lediglich zu einem Frisör, um mir meine Haare
trimmen zu lassen. Ich will einen anständigen Haarschnitt
und keine Lebensberatung.
Genau deshalb suche ich immer wieder bevorzugt die türkischen
Salons nahe dem Bahnhof auf.
Ich mache mir nichts vor, die Türken wollen mich gar
nicht als Kunden haben. Aber sie sind trotzdem echte Vollprofis,
d.h. sie ignorieren mich weitestgehend. Sie sprechen mit mir
nur auf Türkisch, wohlweißlich, dass ich kein Wort
verstehe. Aber sie tun ihre Arbeit gewissenhaft und ordentlich,
man könnte sogar von preußischer Sorgfalt sprechen.
Sie schneiden nicht nur mein Haupthaar, sondern verpassen
mir auch noch eine gründliche Rasur. Des Weiteren kümmern
sie sich um meine Behaarung an den Ohren und in der Nase.
Und das alles ohne abgeschmackte hobbypsychologische Ratschläge.
Dafür liebe ich die türkischen Barbiere.
Danach suchte ich frisch gestylt ein feudales Café
auf der Prachtstraße auf. Dort wollte ich einen extraordinären
Kaffee trinken, eine Marlboro rauchen und mich im Schein der
Reichen und Wichtigen sonnen.
Die Aura der lokalen Prominenz färbte nicht wirklich
auf mich ab, dafür verströmte das koffeinhaltige
Heißgetränk einen Hauch von Luxus. Ich fühlte
mich pudelwohl und erfreute mich daran, dass allein meine
Anwesenheit als Provokation wahrgenommen wurde.
Ich bestellte mir einen weiteren Milchkaffee, der hier allerdings
einen irrwitzigen Namen trug, den sich niemand merken kann.
Während ich auf meine Bestellung wartete, entzündete
ich eine Zigarette und versank in meine Erinnerungen an den
zurückliegenden Abend.
Gestern hatte ich mich mit meiner Balldame von Sylvester
getroffen. Wir unterhielten uns sehr angeregt und die Zeit
verflüchtigte sich schneller, als es mir lieb war. Hin
und wieder wagte ich einen direkten Augenkontakt und in mir
stieg sofort ein fast unerträglich wohliges Gefühl
auf und ich verlor mich in ihren Augen. Ich war verknallt.
Bis über beide Ohren und runter bis zu den Zehen.
Eine sehr ansehnliche Bedienung servierte mir unangemessen
ruppig meinen Milchkaffee und riß mich damit aus meinen
Gedanken.
Ich trank aus, zahlte ein kleines Vermögen und machte
mich auf den Weg in die Altstadt.
Während meines kurzen Fußmarsches zur Ratinger
fühlte mich unendlich leicht. Ich schwebte. Ich war total
verknallt.
Als ich endlich im Bagel ankam, orderte ich eine Lokalrunde.
Ich setzte mich auf meinen quasi Stammplatz, den hintersten
Hocker am Ende des Tresens. Ich bestellte weitere Biere
und erzählte jedem, auch wenn er es nicht hören
wollte, von meiner neuen Bekanntschaft.
Sicherlich habe ich die übrigen Gäste durch mein
Gehabe genervt. Ich war aufdringlich. Und ich war penetrant
und laut. Aber ich war entschuldigt, denn ich war volltrunken
und verliebt.
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