Covergirl
Bei schlechtem Wetter, der Herbst kündigte sich vorsichtig
an, und mit miserabler Laune stapfte ich durch die Häuserschluchten
der Innenstadt. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte, kickte
ich lustlos eine leere Cola-Dose vor mich her, was ich als
sehr deprimierend empfand. Denn ich fragte mich, wer es sich
in diesen Zeiten noch leisten konnte, eine 25 Cent Pfand-Dose
unbekümmert auf die Straße zu werfen.
Eigentlich gab es keinen konkreten Anlass für meine
schlechte Laune. Manchmal fühlt man(n) sich einfach unleidlich,
ohne dass man(n) gerade seine Menstruation hat. Wenn ich in
dieser seltsamen Stimmung war, war es angeraten, einen großen
Bogen um alles zu machen, was man niederschlagen könnte.
Ich kam an einer dieser modernen Litfaßsäulen
vorbei, bei denen die Werbeplakate geschützt hinter Glas
angebracht waren. Ein über zwei Meter großes, etwas
zu vulgär lächelndes, sehr blondes Covergirl blickte
mich an. Ich blieb stehen und blickte zurück. Ich zündete
mir eine Zigarette an ohne meinen Blick von der Fotografie
abzuwenden. Ich blieb einfach mitten auf dem Bürgersteig
stehen und starrte, wie ein Irrer, auf diese, von der Werbeindustrie
erschaffenen, Frau. Diese Bild löste irgendetwas in mir
aus, aber ich wusste nicht genau, was es war. Ich wunderte
mich darüber, wo die Frau ihre rechte Hand plaziert hatte.
Ich löste meinen Blick und musterte meine Umgebung. Erst
nur um mich zu versichern, dass niemand mein eigenartiges
Verhalten bemerkt hatte, dann weil ich wissen wollte, ob ich
irgendetwas von dieser perfekten Werbewelt in der richtigen
Welt wieder finden würde. Ich fand es natürlich
nicht und diese Erkenntnis verdüsterte nur noch mehr
meine Stimmung. Ich setzte meinen Weg, der kein Ziel kannte,
fort.
Wenn ich ehrlich zu mir selber war, dann wusste ich ganz
genau, wo die Ursache für meinen katastrophalen Gemütszustand
lag. Es war der große alles umfassende Weltschmerz.
Diese blöde zerbeulte Cola-Dose auf dem Gehweg, die da
einfach nicht hin gehörte, war nur der Anfang. Aber eigentlich
ging es um etwas ganz anderes.
Auf Alexandras Geburtstagsparty
hatte ich mich mit zwei bezaubernden Frauen unterhalten ohne
ein Rendezvous zu forcieren. Ich hatte mich wieder mal wie
ein Depp aufgeführt, was völlig in Ordnung wäre,
wenn am Ende ein Kuss oder eine Telefonnummer dabei herausgekommen
wäre. Aber leider bescherte mir der Abend nichts weiter
als einen üblen Kater.
Den Kater hatte ich längst überwunden, aber nicht
meinen Missmut über mein nachlässiges Verhalten.
War es übertriebene Coolheit oder unerklärliche
Schüchternheit, die mich davon abhielt, den Stier bei
den Hörnern zu packen? Ich hatte zweimal an einem einziegen
Abend die Chance vergeben meine Telefonnummer mit zwei bezaubernden
Frauen auszutauschen.
Ich versetzte der Dose einen hasserfüllten Tritt. Sie
flog in hohem Bogen ca. 8 Meter durch die Luft und schlug
auf der Motorhaube eines vorbeifahrenden Wagens ein. Der PKW
fuhr noch einige Meter bis er dann mit quietschenden Reifen
stoppte. Die Fahrertür öffnete sich und ein Kerl
sprang heraus und stürmte auf mich zu. Er war gut einen
Kopf kleiner als ich, aber irgendwie verleite ihm sein Schnäuz
und die langen Haare, die er zu einem Zopf gebunden hatte,
den Anschein eines waschechten Proleten. Als ich seine Cowboystiefel
entdeckte, war ich mir ganz sicher. Als er nur noch zwei Meter
von mir entfernt war, schrie ich ihn an:
'Reg Dich nicht auf, Pisser! Wenn Dein bekackter Lack einen
Kratzer abbekommen hat, dann komme ich dafür auf. Wenn
Du mir ein paar aufs Maul hauen willst, bitte, hier stehe
ich! Einen Schlag hast Du frei. Aber danach werde ich mit
Deinen versiften Haaren erst die Straße und dann Deinen
bekackten Wagen polieren.'
Der Mann drehte sich um, wobei er den Kopf schüttelte
und dann zurück zu seinem Auto ging. Im Gehen sagte er
noch so etwas wie, 'Leute gibt´s. Der ist doch total
durchgeknallt. Heute sind nur Verrückte unterwegs! Was
für ein Tag.''
'Ja, was für ein Tag!', dachte ich und ging zurück
nach Hause, wo ich mich umgehend ins Bett legte.
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