Brunch mit Luci
Am frühen Vormittag klingelte das Telefon. Ich nahm
ab. Luci war am anderen Ende und sie klang so frisch und freundlich
wie immer. Wir verabredeten uns zum Brunch im 'Ohme Jupp'.
Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, dachte ich noch
einige Augenblicke über das gerade geführte Telefonat
nach. Ich war Luci seit dieser blöden Geschichte mit
dem Liebes-Traum-Geständnis
absichtlich aus dem Weg gegangen. Es war mir peinlich. Ich
dachte, dass ich damit den Bogen endgültig überspannt
hatte, dass dieser Übergriff unsere Freundschaft nicht
aushalten würde. Aber Luci kam damit ganz offenbar ganz
gut klar. Ich merkte ihr während unseres Gesprächs
nichts an, sie war wie immer. Wie immer wunderbar.
Ich traf noch fünf Minuten vor dem verabredeten Zeitpunkt
im Ohme Jupp ein, aber Luci war schon wieder vor mir da. Ich
fragte mich, wie sie das immer machte? Es war ein von Gott
gegebenes Privileg, dass Frauen sich immer verspäten
durften, aber Luci nutze es nicht. Im Gegenteil, sie war schon
immer da. Irgendwie Unheimlich.
'Hey! Ich hoffe, ich habe Dich nicht zu lange warten lassen.'
'Hi Hank! Blödsinn, Du bist doch sogar überpünktlich!'
'Bin ich wirklich? Keine Ahnung, aber Du warst trotzdem vor
mir hier. Ich habe dich warten lassen.'
'Mach Dir darum keinen Kopf. Setzt Dich erstmal und bestell
Dir einen Kaffee. Ich hab ja auch schon einen.'
'ich glaube, ich brauche heute etwas stärkeres!'
'Komm mal runter! Du bekommst natürlich was Du willst!.
Aber setz Dich doch erstmal, zieh Deine Jacke aus und erzähl
erstmal, wie es Dir geht.'
'Ja, mache ich. Wie geht es Dir denn?'
'Ich kann nicht klagen und das ist keine blöde Floskel,
mir geht es echt gut.'
'Ich freue mich für Dich! Aber kannst Du das vielleicht
auch noch mit ein paar mehr Fakten füllen?'
'Es läuft einfach gut. Was soll ich sagen? Mein Glück
würde Dich eh nur neidisch machen!'
'Mag sein. Vielleicht! Aber wenn Du so vage bleibst, bist
Du natürlich unglaublich mysteriös, aber ich bin
kein Stück schlauer. Ich weiß echt nicht, was Dich
bewegt. Oder was Dich glücklich macht.'
Eine Kellnerin trat an unseren Tisch und Luci bestellte
sich noch einen Kaffee und das 'Kleine Frühstück'.
Ich bestellte mir auch das 'Kleine Frühstück' und
ein Alt-Bier.
'Hank, glaub mir, es ist nicht wichtig. Nimm es einfach so
hin, mein Leben verläuft großartig!'
'Ich glaube, ich kenne Dein Leben nicht. Und ich kenne Dich
nicht. Das finde ich sehr schade.'
'Lass es gut sein. Du wirst mich schon noch besser kennen
lernen, wenn dafür die Zeit ist.'
'Was soll das? Wie soll ich Deiner Meinung nach jetzt reagieren?'
'Bleib locker!'
'Toller Spruch. Luci, Du gibst mir zu wenig.'
Luci schwieg, senkte ihren Blick und fing an am ganzen Körper
zu zittern.
'Ich mag es nicht, wenn man mich unter Druck setzt.', schluchzte
sie. 'Bisher dachte ich immer, unsere Freundschaft würde
anders funktionieren. Warum bist Du so hart zu mir?'
'Jetzt beruhige Dich mal. Ich wollte Dich mit Sicherheit
nicht unter Druck setzen. Schon gar nicht wollte ich, dass
Du weinst. Was ist denn los mit Dir?'
'Tut mir leid! Heute nicht! Ich werde Dir irgendwann alles
erzählen, aber nicht heute. Ich fühle mich so schwach.
Ich muss jetzt gehen. Tut mir leid!'
Luci rannte weg und ich bekam einen Kaffee, ein Alt-Bier
und zweimal das 'Kleine Frühstück' serviert.
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