Blackout
Seit einer Woche wachte ich mit einem Kater auf. Seit einer
Woche betrank ich mich fürchterlich. Aber es half nichts.
Ich war wieder Single.
Es kann einen schon mal verwirren, wenn man beim Erwachen
nicht genau weiß, wo man ist. Noch verwirrender ist
es, wenn man in seinem eigenen Bett erwacht und nicht erkennt
wo man ist. Das ist mir heute Morgen passiert.
Ich tastete mich vorsichtig durch meine eigene Wohnung vor,
ohne zu erkennen, wo ich war. Erst als Bruce
angetollt kam und sich an meinen Beinen rieb, dämmerte
in mir eine Ahnung.
Meine Verfassung erstreckte mich. Ich konnte mich nicht erinnern,
wann ich schon einmal so fertig war. Aber das Erinnern fiel
mir ja gerade auch schwer.
Ohne zu überlegen ging ich, wie ferngesteuert, in die
Küche, um Kaffee aufzusetzen. Aber das Leben meinte es
nicht gut mit mir: die Filtertüten waren aus.
Ich erinnerte mich an den alten Bundeswehrtrick mit der Socke,
obwohl ich nie in irgendeiner Arme gedient hatte. Vielleicht
schauderte es mir auch deshalb so, denn mit Sockenkaffee wollte
ich bestimmt nicht gerade heute anfangen.
Ich verfluchte wortgewaltig mein Leben und die Situation
in der ich steckte. Ich tat das so laut, dass Bruce
sich vor Angst hinterm Sofa versteckte und mir mein Schädel
jetzt endlich richtig wehtat. Ich bettelte kurz um eine komplette
Kopftransplantation, wurde dann aber wieder ganz ruhig und
dachte über meine Möglichkeiten nach, die ich nicht
hatte.
Ich wollte frischen Kaffee. Ich hatte keine Kaffeefilter.
Socken kamen nicht in Frage und auch nicht Küchenkrepp
oder Taschentücher. Es gab einfach keine Alternative.
Ich sammelte meine Klamotten vom Fußboden auf, zog sie
an, schnappte mir Bruce
und schritt hinaus in die Welt, um Melitta Filtertüten
in einem Supermarkt zu kaufen.
Ich verschwand keinen Gedanken damit, mein Erscheinungsbild
zu überprüfen. Meine Haare, meine Klamotten und
selbst mein Geruch waren mir egal. Was eine Fehleinschätzung
war, was mir am Kühlregal klar wurde, als eine junge
Mutter ihr Kind zurückzog und belehrend mahnte:
'Kelvin, halt Dich von diesem armen Mann fern. Der hat kein
Zuhause. Der muss auf der Straße schlafen und hat keine
eigene Wanne, wo er sich waschen kann. Der ist dreckig und
überträgt schlimme Krankheiten.'
Ich war nicht in der Verfassung, um der jungen Mutter eine
schlagfertige Antwort zu geben. Eigentlich war sie ja auch
im Recht. Ich musste diesen Eindruck auf sie machen. Ich raffte
schnell meinen Kram zusammen und ging zügig zur Kasse,
wo ich auch abfällig gemustert wurde. Ich bezahlte und
stürmte zurück in meine Wohnung.
Als ich endlich meine Wohnung erreicht hatte, fühlte
ich mich zum ersten mal an diesem Tag sicher. Mir fehlte zwar
noch immer der Großteil meiner Erinnerung, aber immerhin
wusste ich, wer ich war und wo ich war.
Ich ging wieder in die Küche und bestückte die
Kaffeemaschine mit den neu gekauften Filtern und all den anderen
wichtigen Incredenzien. Danach stieg ich unter die Dusche.
Als heiße Wassertropfen auf mich nieder prasselten,
kam ich endlich zur Ruhe. Ich fühlte mich noch immer
beschissen, aber endlich hatte ich die Zeit, darüber
nachzudenken, warum ich mich so fühlte.
Ich dachte an Julia. Julia! Und an meine Pläne. Hochzeitspläne!
Und was schief gelaufen war. Ja, was eigentlich? Ich wusste
es nicht! Mein Hirn tat mir. Das wollte ich vermeiden. Also
verbot ich mir intensivere Grüblereien.
Ich stieg aus der Dusche, frottierte mich ab und ging ins
Schlafzimmer, um mich mit frischen Klamotten anzukleiden.
Als ich meinen Kleiderschrank nach sauberer Unterwäsche
durchstöberte, stockte ich. Ich spürte einen bohrenden
Blick. Ich fühlte mich beobachtet. Irgendwer war auch
noch mit mir im Raum. Aber wer?
Ich drehte mich um. Da lag sie. In meinem Bett. Splitternackt.
Sie guckt mich an und flüstert:
'Komm zu mir! Fick mich! So wie letzte Nacht!'
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