Immer wieder gerne: Mengwasser
Es spricht einiges fürs Mengwasser. Erstens ist es
nur wenige Gehminuten von meiner Wohnung entfernt. Zweitens
ist die Atmosphäre fast immer angenehm. Drittens: die
Bedienung.
Ich war gestern Abend mit Cris
im Mengwasser verabredet, was mich sehr freute. Denn erstens
mochte ich Cris und
ich hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen. Und zweitens
mochte ich das Mengwasser.
Ich betrat pünktlich um 20:30 Uhr das Mengwasser. Cris
war schon da. Er saß am hinteren Ende des Tresens, wo
man einen guten Überblick hatte. Vor ihm stand bereits
ein leeres Bierglas und er lächelte leicht debil. Ich
setzte mich zu ihm auf den Hocker, den er für mich freigehalten
hatte und bestellte Bier.
Das Bier kam flugs.
Jule, die Hardbody-Kellnerin, war wieder einmal gut drauf.
Wir begrüßten uns mit 'Küsschen rechts, Küsschen
links, Küsschen rechts' und wechselten ein paar Worte,
dann stieß ich mit Cris
an. Wir fingen an ganz normalen Blödsinn zu reden. Zwischendurch
bestellten wir regelmäßig Bier
und redeten immer mehr Blödsinn. Aber nachdem ich Schnaps
bestellt hatte, den wir mit den Worten 'Bezahlt ist es, weg
muss es! Komm, Patrik!' kippten, schossen Cris
die Tränen in die Augen. So hatte ich meinen Freund noch
nicht erlebt. Er war völlig aufgelöst. Ich legte
meinen Arm um ihn und ringte um Worte.
'Hey, was ist los?', fragte ich und fürchtete bereits
die Antwort.
'Sie ist tot! Sie ist tot! Tot! Verdammte Scheiße!
Sie ist tot!'
'Verdammte Scheiße!', dachte ich meinerseits, 'Der
absolute Super-GAU. Tot! SIE! Caro?
Wer überhaupt? Wer war tot?' Mein Hirn war kurz davor
zu explodieren. Ein handballgroßer Kloß steckte
plötzlich in meinem Hals und verdammte mich zum Schweigen.
'Meine Tochter ist tot! Tot! Caro
hatte letzte Woche einen UNFALL und hat unsere kleine Tochter
verloren. Mary-Jane. Wir wollten sie Mary-Jane nennen, weißt
Du? Einen beschissenen UNFALL! Der Typ war betrunken! BETRUNKEN!
Fuhr einfach über eine rote Ampel. Der Scheißkerl.
Das war kein Unfall. Das war Mord! Das ist ein Mörder!
Ein verdammter Mörder!'
Ich merkte, wie ich den Boden verlor. Darauf war ich nicht
gefasst gewesen. Damit kam ich gerade überhaupt nicht
klar. Ich konnte nicht mehr klar denken, der Alkohol in meinen
Venen half auch nicht weiter. Mein Verstand biss sich an dem
Wort 'verloren' fest. Und ich dachte nur, was man verliert,
das kann man auch wieder finden. Schließlich gab es
ja Fundbüros. Als ich mir meiner irrsinnigen Gedanken
bewusst wurde, war ich kurz davor hysterisch zu lachen. Aber
stattdessen wurde ich ganz ruhig und mich überkam eine
lähmende Kälte.
'Hart!', sagte ich mit zittriger Stimme. Ich fühlte
mich an die Geschichte mit Samira
erinnert, obwohl das damals alles ganz anderes war. Ich brachte
keinen weiteren Ton raus, meine Kehle war wie zugeschnürt.
All meine Sorgen, Bedürfnisse, Gedanken und Ängste
bezüglich Julia waren in diesem Moment so unglaublich
lächerlich. Ich kam mir nur klein vor.
'Ja, hart!', flüsterte Cris.
'Super hart!', erwiderte ich und nahm meinen Freund in den
Arm.
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