Aufbruchsstimmung
Eigentlich ist es ja ganz nett hier.
Nur konnte ich das gerade überhaupt nicht finden. Ich
war der Erfüllung meines Plans, eine Frau zum Heiraten
kennen zu lernen, etwas so nahe gekommen, wie ein Pinguin
dem Nordpol. Und auch sonst war es eher öde. Mir stand
der Sinn nach einem Tapetenwechsel.
Ich schnappte mir mein Telefon und wählte. Genau genommen
tippte ich. Es klingelte. Ich wartete. Es klingelte weiter.
Dann nahm am anderen Ende jemand ab:
'Hallo!'
'Hi!', ich meldete mich ebenso kurz.
'Hank? Bist Du es?'
'Wer sonst?'
'Sicher! Was gibt's? Ich bin beschäftigt.'
'Hängst Du wieder über Deinen Forschungen?'
'Natürlich! Was denn sonst? Ich würde allerdings
nicht hängen sagen, ich forsche.
Fass Dich also bitte kurz. Ich habe meine Zeit nicht gestohlen.'
'Natürlich! Sicher! Was machst Du am Wochenende?'
'Wochenende? Wochenende? Ach ja, ich wollte hoch zum Hemmoor.
Tauchen.'
'Bei diesem Wetter?'
'Aber denken doch nach Hank, unter Wasser spielt das Wetter
keine Rolle.'
'Auch nicht die Kälte?'
'Die Kälte natürlich schon. Aber das Wasser im
Hemmoor hat eh eine übers Jahr ermittelte Durchrittstemperatur
von 277 Grad Kelvin. Oder wie Du sagen würdest: 5 Grad
Celsius. Da spielt die allgemeine Kälte keine entscheidende
Rolle. Schon gar nicht in 50 Meter Tiefe bzw. tiefer, wo ich
mich gedenke aufzuhalten.'
'Okay. Hab ich verstanden. Oder auch nicht. Ist mir jedenfalls
total egal. Jetzt aber mal etwas ganz anderes, mir kam die
Idee, Dich zu besuchen, aber wenn Du keine Zeit hast...'
'Wann?'
'Morgen.'
'Wann genau?'
'Mir egal. So gegen Nachmittag.'
'Nachmittag? Nachmittag? Dann sollte ich mit meiner Studie
fertig sein. Okay, Hank, das Tauchen kann warten. Das Hemmoor
läuft mir ja nicht weg oder gar aus. Ein Witz! Ein Besuch
von Dir könnte sehr erfrischend sein. Gehe ich recht
in der Annahme, dass Du eine kurzfristige Veränderung
brauchst?'
'Ja! Genau! Aber woher weißt Du? Ach egal. Ich bin
morgen bei Dir.'
'Bis morgen.'
Es machte Klick. Lummer
hatte aufgelegt. Er war im Allgemeinen ein umgänglicher
Zeitgenosse, wenn man ihn nur nicht bei seinen Forschungsarbeiten
störte.
Ich wählte eine weitere Nummer, um mir ein Ticket bei
der Bahn zu reservieren. Nachdem ich etwa 20 Minuten lang
von einer Hotline zur nächsten verbunden wurde und ca.
30 Jingles gehört hatte, gab ich auf. Ich schwang mich
auf mein Fahrrad und fuhr zum Bahnhof, um mich mit leibhaftigen
Menschen rumzuärgern, was viel besser war. Die Bahn ist
ein Traum.
Ich bin auf die Bahn angewiesen, weil ich kein Auto habe.
Ich habe noch nicht einmal einen Führerschein.
Ich habe noch nie ernsthaft daran gedacht, einen zu erwerben.
Wozu auch? Bisher konnte ich noch jedes Ziel ohne diesen Lappen
erreichen. Außerdem lasse ich mich gerne per Zug, Straßenbahn,
Bus oder Taxi befördern. Ich habe dabei meine Hände
und meinen Kopf frei. Ich kann während meiner Reise die
Umgebung begutachten und manchmal lerne ich sogar jemanden
kennen.
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