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home » tagebuch » 27.11.2003
TAGEBUCH: 27.11.2003 notes of a dirty old man
Hirntot

Hirntot

Ich wachte auf. Wie jeden Morgen. Soweit nichts Besonderes. Aber wenn ich auswache liege ich im Bett. Normalerweise! Diesmal nicht. Diesmal lag ich im Eingang eines Hauses. An einer Straße. War ich schon mal auf der Straße aufgewacht? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich konnte mich an nichts erinnern. An gar nichts.

Ich richtete mich auf. Kam auf die Beine. Sah mich um. Viele Fahrzeuge auf der Straße. Und Menschen. Menschen über Menschen. Alle in Bewegung. Eifrig. Zielstrebig. Leicht verblödet.

Ich stand nur da. Nicht eifrig. Auch nicht zielstrebig. Aber verblödet. Nicht nur leicht, völlig. Total! Ich wusste nichts mehr.

Ich wusste nicht, wo ich war. Nicht wie ich hergekommen war. Und vor allem nicht, wer ich war. In meinem Kopf gab es nichts als Nebel.

Der Nebel fing an sich zu lichten. Langsam. Sehr langsam. Mir fiel was ein. Ich war Hank. Hank Dust. Frage: Wer war Hank, Hank Dust?

Ich erkannte das Haus vor dem ich stand, hier wohnte ich seit ein paar Wochen. Ich betrachtete die Klingelleiste. In der obersten Reihe stand Dust. Ich klingelte und wartete. Es passierte nichts. Ich griff in meine rechte Jackentasche. Ich holte einen Schlüsselbund heraus. Ich wählte ganz selbstverständlich einen Schlüssel aus und führte ihn ins Schloss. Die Haustür öffnete sich und ich trat ins Treppenhaus. Ich stieg die Stufen empor. Auf jeder Etage las ich die Türschilder. In der vierten und letzten stieß ich auf eine Wohnungstür an der auf einem Messingschild Dust stand. Ich hatte wieder den passenden Schlüssel zur Hand und betrat die Wohnung.

Ich streifte meine Jacke ab und ließ sie auf den Boden sinken. Ich ging in die Küche und nahm mir eine Flasche Hitchcock Orangensaft aus dem Kühlschrank. Dann ging ich ins Wohnzimmer. Zum CD-Regal. Ich griff wahllos hinein. Legte die CD in den Player. Ich setzte mich in einen Sessel. Es erklang ein Klavier. Dann eine verhaltene Gitarre. Ich rätselte, was ich da hörte. Dann setzte der Gesang ein. Es war die unverwechselbare Stimme von Kurt Wagner. Lambchop. Das famosen Album 'Is A Woman'. Das passte, irgendwie.

Ich nahm einen großen Schluck aus der Flasche. Auf dem Tisch vor mir lag ein Softpack Marlboros. Ich fingerte eine Zigarette heraus und entzündete sie mit einem Streichholz. Als sich meine Lungen mit Rauch füllten und das Nikotin mein Hirn erreichte, lehnte ich mich zurück und dachte nach.

Wie war ich vor meinen Hauseingang gekommen? Warum war ich auf der Straße erwacht? Warum konnte ich mich an nichts erinnern? Was war gesehen?

Mein Hirn spuckte keine zufrieden stellenden Antworten aus. Es war zum Haare raufen. Ich raufte mir die Haare. Ich nahm noch einen Schluck Orangensaft. Ich stellte die Flasche zurück auf den Tisch. Dann sah ich, wie eine rote Flüssigkeit an dem Glas der Flasche hinunter kroch. Ich sah mir meine Hand an. Sie war verschmiert. Blut verschmiert. Ich taste vorsichtig meinen Hinterkopf ab. Meine Finger trafen auf Haare. Etwas weiter oben fühlte es sich feucht und seltsam weich an. Ich erschrak. Ich zog meine Hand zurück vor die Augen. Blut. Mir wurde schummrig.

Mich beschlich die verstörende Gewissheit, dass ich Hilfe brauchte. Professionelle Hilfe. Medizinische Hilfe. In mir stieg Panik auf. Mir wurde übel.

Ich orderte per Telefon ein Taxi. Danach zog ich panisch meine Jacke an und flüchtete hinaus auf die Straße. Ich wartete. Ungeduldig. Mir wurde kalt. Ich frohr. Ich ging auf und ab. Das Taxi kam. Ich stieg ein und sagte zu dem Fahrer:

'Ich weiß, Sie haben das schon tausendmal gehört, aber das ist wirklich ein Notfall. Bringen Sie mich umgehend in die nächste Notaufnahme. Hier haben Sie 20 Euro, das sollte reichen. Ich habe eine schwere Kopfverletzung. Ich habe eben mit meinen Fingern mein eigenes Hirn abgetastet. Fahren Sie!'

Der Fahrer hatte meine Worte verstanden und reagierte angemessen. Wir fuhren mit quietschenden Reifen los. Dann verlor ich das Bewusstsein.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Krankenhausbett. Die Wände waren kahl. Das Licht war kalt. Es herrschte Totenstille. Ich war allein. Mein Kopf war bandagiert und tat weh.

Wieder einmal wusste ich nicht, was gesehen war. Aber ich war zu müde, um weiter zu grübeln. Ich wollte schlafen, nur schlafen. Das kalte Licht würde mich daran nicht hindern können. Ich war einfach nur müde.

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