Sake oder
wie ich den Reisschnaps für mich entdeckte
Ein Umzug ist eine komplizierte Angelegenheit. Im Vorfeld
muss man einiges organisieren: Wohnung finden, ummelden, Telefon
beantragen...
Wenn es dann soweit ist, muss man Möbel schleppen.
Und dann fängt der richtige Stress erst an: Löcher
für Lampen und Regale bohren, den richtigen Standort
für die Lautsprecher der HiFi-Anlage ermitteln, Nägel
und Bilder geschmackssicher an den Wänden platzieren...
Wenn ich morgens Aufwache bin ich noch immer für kurze
Zeit desorientiert, weil ich nicht auf Cris
Fernsehapparat schaue, sondern eine Stuckdecke erblicke. Aber
nach ein paar Momenten stellt sich ein wohliges Gefühl
ein, weil mir bewusst wird, dass ich in meinem eigenen Bett
liege.
Tag für Tag gewinne ich dieser Wohnung immer mehr ab
und Tag für Tag nimmt diese Wohnung immer mehr meinen
Charakter an.
Gestern war ich mit Caro
wieder bei dem grauenhaften IKEA und habe noch ein paar Accessoires
besorgt, die mein Heim wohnlicher machen sollen.
Danach waren wir noch bei einem Japaner bei mir um die Ecke
essen. Und endlich vertraute sich Caro
mir an und erzählte von ihrer Schwangerschaft. Aber anders
als Cris, war sie total
glücklich, und ich verkniff mir ihr von Cris Zweifel
und Sorgen zu erzählen. Stattdessen gratulierte ich und
freute mich mit ihr.
Während des Essens und bei aller ehrlicher Freude wurde
ich nachdenklich. Über einen Nachkommen hatte ich bisher
noch nicht ernsthaft nachgedacht, aber ich wünschte mir
eine Frau an meiner Seite. Ich wollte eine Frau.
Und während wir nett beieinander saßen und unser
Essen genossen, wurde ich immer stiller und nachdenklicher.
Ich bestelle ein Wasser für die werdende Mutter und Sake
für mich.
|