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home » tagebuch » 06.11.2003
TAGEBUCH: 06.11.2003 notes of a dirty old man

Verguckt

Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss, sagt man. Fluss und lang geht völlig in Ordnung. Aber ruhig? Mein Leben ist eine Achterbahnfahrt. Schnell! Kurvig! Und mit Hochs und Tiefs!

Als ich heute Morgen aufwachte, hatte ich einen leichten Kater vom gestrigen Sake. Ich litt unter einem unterschwelligen Unwohlsein, dass mir aber nicht die Stimmung verdarb. Mich aber in meinen Gedanken und Aktionen ein wenig ausbremste.

So richtig habe ich mich in meiner neuen Wohnung noch nicht eingefunden. Ich kämpfte noch immer mit massiven Orientierungsschwierigkeiten. Heute Morgen war es so schlimm, dass ich gedankenlos in das Spülbecken der Küche urinierte.

Als ich realisierte, was ich da an einem dafür unpassenden Ort tat, schrieb ich mir in Gedanken eine Entschuldigung: Schlafwandeln

Tag für Tag gewinne ich dieser Wohnung immer mehr ab und Tag für Tag nimmt diese Wohnung immer mehr meinen Charakter an.

Und es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis ich traumwandlerisch den Weg zur Toilette finden werde. Bruce ist schließlich auch schon stubenrein.

Der gestrige Tag hatte ein echtes Highlight!

Ich habe wieder einmal eine tolle Frau erblickt. Sie saß in dem gleichen Café, in dem ich gemütlich eine Zeitung las. Sie saß einfach nur da und sah bezaubernd aus. Und ich konnte meinen Blick nicht mehr abwenden.

So etwas passiert mir recht häufig und ist eigentlich auch nicht weiter erwähnenswert, aber diesmal habe ich sie angesprochen. Wenn man ernsthaft eine Frau sucht, muss man auch schon mal die Initiative ergreifen.

Durch irgendeine sinnentleerte Banalität verwickelte ich sie in ein Gespräch. Meine überschwängliche Präsenz und meine aufdringliche Penetranz ließen ihr gerade mal soviel Raum, um zu atmen und dieses Spiel nach meinen Regeln mitzuspielen.

Wir unterhielten uns nur über belanglose Nichtigkeiten. Aber mir bot diese Blase aus unverbindlichen Oberflächlichkeiten die Gelegenheit in ihrer Nähe zu sein. Ich konnte ihr Parfüm riechen. Ich konnte die neckischen Falten um ihre Nase bewundern, wenn sie lachte. Ich konnte das Strahlen in ihren Augen erblicken, wenn sie einen weiteren Kaffee bestellte. Ich konnte ihre langen schlanken Finger mustern. Und wie sie die Tasse hielt.

In diesen kurzen Momenten hörte die Welt auf, sich zu drehen!

Als sie ging, sagte sie: 'Bis nächste Woche!'

Bis nächste Woche! Diese drei Worte entflammten meine Phantasie. Aber vor allem weckten sie meine Hoffnungen. Ich beschloss, dass ich genau hier jeden Tag auf sie warten würde - egal wie lange!

Und vielleicht würde ich ja auch dann ihren Namen erfahren.

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