Ein softer Abend
Und schon wieder war ich im Mengwasser
gelandet. Ich weiß nicht, was mich immer wieder hier
her treibt. Eigentlich weiß ich es ganz genau: Cris
und Caro
Meine Wohnsituation ist ein Grauen. Ich bin zurzeit ein Gast
von Cris. Ich schlafe
auf der Couch im Wohnzimmer und lebe aus dem Koffer.
Ich kann mich dankbar schätzen, dass Cris
mich aufgenommen hat. Aber ich fühle keine Dankbarkeit.
Mir geht hier wirklich alles total auf den Sack.
Ich bin hier halt nur Gast in einer fremden Wohnung. Ich
gehöre nicht wirklich dazu und ich gehöre da auch
nicht wirklich rein. Cris
ist zwar umgänglich, aber ich merke halt schon, dass
es so kein Dauerzustand sein kann. Gäste gehen irgendwann.
Und ich werde am nächsten ersten auch endgültig
gehen.
Aber fürs erste ging ich erst einmal wieder ins Mengwasser,
um der Liebesidylle von Cris
und Caro zu entgehen.
Ich malte mir aus, dass wenn ich mal alleine in einer Kneipe
wäre, die Chancen viel besser ständen, meine zukünftige
Ehefrau kennen zu lernen. Dieser Gedanke beflügelte mich.
Außerdem ist es durchaus sinnvoll, sich eine Stammkneipe
zu etablieren. Nach und nach gehört man zum Inventar
und kennt die anderen Stammgäste. Somit hat man sich
einen Ort geschaffen, den man(n) jederzeit aufsuchen kann,
wenn einem der Sinn nach einem Thekengespräch oder einem
lecker Bier ist.
Das Mengwasser
war genau der richtige Laden für dieses Vorhaben. Gut
positioniert. Ansprechende Atmosphäre. Angenehmes Publikum.
Und ich kenne bereits eine Bedienung, das Fräulein Jule.
Der Abend verlief dann natürlich nicht wie ersehnt.
Der erste Dämpfer erwischte mich direkt beim Eintritt,
Jule arbeitet heute nicht.
Unverdrossen fand ich einen Platz an der Theke und orderte
ein Pilsbier,
fest entschlossen heute Abend neue Kontakte zu knüpfen.
Ich überdachte kurz noch einmal meine Erwartungen und
kam zu dem Schluss, dass es durchaus möglich war, entweder
einen neuen Thekenkumpel oder einen One-Night-Stand oder sogar
meine zukünftige Ehefrau kennen zu lernen. Und wieder
erfüllte mich dieser Gedanke mit einem wohligen Gefühl.
Ich trank mein Bier und blickte mich interessiert um. Es
war Sonntag und nicht so voll, wie ich es von anderen Wochentagen
gewohnt war, was nicht heißen soll, dass der Laden schlecht
besucht war. Auch heute war ein großes Publikum anwesend.
Ich hatte allerdings den Eindruck, dass hauptsächlich
Pärchen hier waren.
Ich bestellte mir ein neues Bier
und musterte weiterhin das Publikum. Aber es gab nichts aufregendes
zu entdecken. Ich saß alleine am Tresen und kippte alleine
Bier in mich rein.
Zwischen der vierten und fünften Flasche Becks überkam
mich eine matte Ernüchterung: heute Abend war nicht der
Abend.
Diese Erkenntnis versetzte mir einen empfindlichen Stich,
den ich versuchte mit einem weitern Bier
zu verarzten.
Irgendwann bezahlte ich meinen Deckel
und trat hinaus auf die Straße. Das Blut rauschte in
meinem Kopf und ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte.
Ich hatte keine Lust mein provisorisches Nachtlager aufzusuchen,
aber wohin konnte ich jetzt noch gehen?
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