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home » tagebuch » 22.08.2004
TAGEBUCH: 22.08.2004 notes of a dirty old man
If You Want Blood - You've Got It
If You Want Bood... Zoom

If You Want Blood - You've Got It

Die letzten Tage hatte ich damit verbracht, die verschiedensten Straßencafés aufzusuchen. Ich trank Kaffee, zumeist Latte Macchiato aka. Espressomilch, kämpfte mich durch die ausliegenden Print-Medien und beobachtete ganz beiläufig das Verhalten des eigenartigen Säugetiers Mensch. Meine Tage verliefen ruhig, entspannt und waren durchflutet von einer glücksspendenden Gelassenheit.

Leider konnte ich diese Gelassenheit nicht übers Wochenende retten. Gestern änderte sich mein Tagesablauf drastisch. Mich zog es wieder in die Altstadt und ich betrank mich aufs Schändlichste. Was nicht ohne Folgen blieb.

Als ich heute Morgen aufwachte, nahm ich die Welt nur schielend und verschwommen wahr, meine Zunge war über Nacht zu einem muffigen Pelztier mutiert, in meinem Magen spielten fremde Wesen ekstatisch Pingpong und mein Hirn versuchte wieder einmal die Schädeldecke zu sprengen. Ich konnte nicht auf die körpereigenen Rettungsmechanismen hoffen, dies war ein klarer Fall für die Chemie. Ich schleppte mich zu meinem Giftschrank bzw. zu der Schublade in der Küche, die diverse Medikamente bereithielt. Ich hatte Glück, denn ich hatte die Auswahl zwischen Aspirin, Paracetamol oder Ibuprofen. Ich zögerte nicht lange und entschied mich für letzteres. Ich hatte schon seit einiger Zeit den Verdacht, dass mein Körper sich mit Aspirin zu sehr angefreundet hatte und in Folge dessen resistent geworden war.

Ich applizierte mir eine großzügig bemessene Menge Ibuprofen und schritt sogleich entschlossen ins Bad, um mit der Zahnbürste und reichlich Odol den Pelz von meiner Zunge zu vertreiben. Danach stieg ich unter die Dusche. Das heiß niederprasselnde Wasser hatte zweierlei Wirkung: erstens spürte ich meine Körper wieder und der Gestank der letzten Nacht wurde Tropfen für Tropfen aus meinen Haaren und meinen Poren gespült, zweitens kehrte meine Erinnerung auch ganz allmählich wieder.

Ich erinnerte mich zwar nicht an jedes einzelne Bier, das ich in der letzten Nacht getrunken hatte, aber peu à peu schälten sich aus dem dichten Nebel, der vor meinem Gedächtnis lag, einzelne konturierte Bilder und schrittweise erkannte ich sogar zusammenhängende Szenen.

Der gestrige Abend begann im BAGEL, das durch die beeindruckende Stuckdecke und die eigenartigen dunkelbraune Holztäfelung, eine ganz eigene Atmosphäre versprühte. Für einen gemächlichen und gepflegten Einstieg genau die richtige Lokalität. Hier konnte man in angenehmer Atmosphäre erst einmal ein paar Biere trinken, bevor man sich ins turbulente Nachtleben stürzte. Jeff, Cris und ich tranken, nicht gemächlich, sondern ambitioniert, wie der Deckel nachhaltig belegt.

Als wir das BAGEL gegen ca. halb eins verließen, war ich schon leicht angeschlagen und etwas wackelig auf den Beinen, aber ich hatte Blut geleckt und ich wollte mehr. Mehr von allem! Mehr zu trinken. Mehr Musik. Mehr Menschen. Mehr Frauen. Mehr Leben!

Erst einmal bekam ich mehr zu trinken. Wir kauften am Kiosk Flaschenbier und schlenderten über die Ratinger, die wie immer am Wochenende und bei annehmbarer Witterung stark frequentiert war.

Die Ratinger erwies sich für uns allerdings nicht als die verheißungsvolle Amüsiermeile, die sie auf den ersten Blick zu sein schien. Die vielen ausgelassenen Menschen genügten sich selber, Neuankömmlinge wie wir wurden höflichst ignoriert. Egal was wir anstellten, der Funke wollte nicht überspringen. Vielleicht waren wir aber auch einfach schon zu angetrunken und ein klein bisschen unangenehm. Was es auch war, wir wechselten in den 'Weißen Bären', wo wir nicht unangenehm auffallen würden, das dortige Stammpublikum hatte uns einiges voraus. Wir bestellten ein paar Runden Alt und redeten Blödsinn, was man(n) halt so in dunklen Kneipen um 2 Uhr Nachts macht. Insgesamt war auch der WEIßEN BÄR wenig anregend, die Musik war zwar gut wie immer, in Würde gealtert Hardrock aus den 80ern und 90ern und ein paar unkaputtbare Klassiker (z.B. 'Sympathy For The Devil'), aber die Stimmung erinnerte eher an ein müdes Klassentreffen, als an ein entfesseltes Rockfestival.

Ganz allmählich wurden wir uns unserer latenten Müdigkeit bewusst. Das war nicht gut. Der Abend begann in den letzten Zügen zu liegen. Um ihn noch einmal zu reanimieren, brauchte es eine gewaltige Portion Adrenalin. Mir kam eine Idee: NIGHT-LIVE. Schon letztes Wochenende erwies sich das NIGHT-LIVE als Stimmungshochburg. Warum sollte die Kombination aus Live Musik und frisch gezapften Bier nicht auch in dieser Nacht funktionieren?

Wir verließen den WEIßEN BÄREN, überquerten die Straße und legten die paar Meter zum DÄ SPIEGEL im Wiegeschritt zurück. Dort ließen wir uns von einem stämmigen und brutal aussehenden Türsteher abscannen. Bei dieser Prozedur fragte ich mich immer, wie man wohl aussehen bzw. welchen Zustand man erreicht haben müsste, um hier ausgemustert zu werden? Hier kam doch wirklich jeder rein. Obwohl, wenn ich es recht bedachte, die Ausländerquote war verschwindend klein. Darüber hatte ich mir vorher nie Gedanken gemacht. Schon seltsam. Vielleicht doch ein scheiß Laden? Gedanken unbedingt abspeichern und bei nächster Gelegenheit weiterverfolgen.

Der mit einiger Sicherheit vorbestrafte Türsteher winkte uns durch und wir stiegen die steilen Stufen in die erste Etage empor und purzelten ins NIGHT-LIVE und in eine schweißtreibende Party. Eine unbekannte Cover-Band gab allseits bekannte Songs zum Besten, das Publikum rockte mit und wir organisierten schnellst möglich Bier vom Tresen, um endlich wieder etwas zu haben, an dem wir uns festhalten konnten.

Das NIGHT-LIVE war wie immer gut besucht, aber diesmal nicht zu voll. Wir fanden ganz unproblematisch Platz in der Menge, von wo aus wir die Szenerie überblicken und ganz gelassen unser Bier trinken konnten. Auf der winzigen Bühne stand eine sechsköpfige Band, die alles gab, um das Publikum zu unterhalten. LET ME ENTERTAIN YOU!

Ich versuchte mir einen Überblick zu verschaffen. Mein Blick streifte von der Bühne über den Tresen hinweg auf die ganzen Menschen, die aus dem gleichen Grund hier waren, wie ich: Spaß

Ich hielt inne, als ich eine großgewachsene hübsche Blondine entdeckte. Ich kann nicht mehr sagen, was mich genau an ihr faszinierte, aber ich konnte meine Augen nicht mehr von ihr lassen. Ich fixierte sie. Sie alberte mit ein paar anderen Frauen, ganz offenbar ihre Freundinnen, herum und lachte viel. Dabei entdeckte ich, dass sie ein Zungenpiercing hatte. Das Piercing faszinierte mich zusätzlich. Diese Erfahrung hatte ich bisher noch nicht gemacht. Ich war neugierig! Ich musste dieser Angelegenheit einfach aus rein investigativer Motivation auf den Grund gehen.

Aber noch bevor ich den Mut fand, sie anzusprechen, trat ein Mann an sie heran, sprach kurz mit ihr und küsste sie. Dann ging er. Ich erkannte meine Chance und machte sie völlig betrunken und hemmungslos an:

'Das kann ich besser!'

'Was kannst Du besser?'

'Küssen!'

'Küssen?'

'Ja! Ich verspreche Dir nicht, dass Du die Engel singen hörst, aber ich kann Dich küssen, so dass Du weiche Knie bekommst.'

'Du bist doch auch nur ein weiteres Großmaul!'

Ich schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln, dann neigte ich meinen Kopf zu ihr herab und sie streckte sich mir entgegen. Ich blickte ihr tief in die Augen, bevor sich unsere Lippen trafen. Ich spürte ihre weichen vollen Lippen. Meine Zunge stieß in ihren Mund. Ihre Zunge erwiderte das Spiel. Ich spürte ihr Piercing, was mich faszinierte und erregte. Wir küssten uns leidenschaftlich. Ich strich ihr durch ihre Haare und packte ihren Nacken. Dann wanderte meine linke Hand zärtlich über ihren Rücken herunter zu ihrem Po, während meine rechte noch immer ihren Nacken liebkoste und durch die Haare strich. Sie umarmte mich und drückte sich fest an mich. Ich spürte ihre festen Brüste auf meinem Körper. Nach einer süßen Ewigkeit küsste ich ihr zärtlich auf den Hals, bevor ich sie aus meiner Umklammerung entließ, wobei ich sie weiterhin an der Hand hielt.

'Okay!'

'Was ist okay?'

'Du bist wirklich ein guter Küsser!'

'Mit Dir ist es leicht! Du bist phantastisch!', erwiderte ich. 'Und Dein Zungenpiercing ist echt geil!', dachte ich, sagte es aber nicht.

'Mal was ganz anderes, was für Musik hörst Du sonst so?'

'Harter Themenwechsel und eine gemeine Frage, denn wenn ich ehrlich antworte, ergreifst Du eh direkt die Flucht.'

'Bitte, sei ehrlich!'

'Nun gut, ich höre gerne Country-Musik! Du bist jetzt sicher schockiert beziehungsweise gelangweilt und willst am liebsten die Flucht ergreifen, oder?'

'Nein! Überhaupt nicht! Warum? Ich höre auch Country.'

Nach dieser Antwort fiel ich direkt auf die Knie und blickte dieser wunderbaren Frau aus der Froschperspektive direkt in die Augen.

'Bitte, heirate mich!'

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