Träumereien
Die Abstinenz der letzten Tage tat mir gut. Es war ein erhebendes
Gefühl ohne Kopfschmerzen aufzuwachen. Allerdings fiel
mir das Einschlafen schwer, wenn ich denn überhaupt schlief.
Und der seltene Schlaf war von obskuren Träumen vergiftet.
Letzte Nacht träumte ich beispielsweise, dass ich mir
beim Gemüseschneiden unabsichtlich die Fingerkuppe meines
linken Mittelfingers abtrennte. Die entwurzelte Gliedmaße
hüpfte wie selbstverständlich zu den klein gehackten
Möhrenstücken, hinterließ dabei aber eine
feine tiefrote Spur. Das ausströmende Blut färbt
in sekundenschnelle das hölzerne Schneidebrett rot und
ein gehöriger Schreck durchzuckte meinen Körper.
Mein erster Gedanke war, 'Auch Du Scheiße!'. Mein zweiter,
'Wo ist das Eis? Ich muss zum Arzt!'.
Andererseits war ich auch irritiert, dass ich keinerlei Schmerz
empfand. Ich spürte nur das warme ruhige Pulsieren des
Blutes. Es fühlte sich gut an.
Ich nahm die scharfe Klinge und hackte weiter auf die Finger
meiner linken Hand ein. Die abgetrennten Glieder tanzten über
die Arbeitsfläche. Ein brodelnder Blutstrom ergoss sich
darüber. Langsam schwappte die rote Flüssigkeit
über die Kante der Arbeitsfläche und tropfte zähflüssig
auf den Fußboden.
Aber ich spürte weiterhin keinen Schmerz. Ich hackte
weiter. Handrücken. Handgelenk. Unterarm. Ich stand in
einem See aus Blut. Alles war jetzt mit Blut benetzt. Auch
mein Gesicht. Ich spürte, wie die Tropfen an meinen Wangen
herunterliefen.
Dann wurde ich schlagartig wach. Ich lag schweißgebadet
in meinem Bett und Bruce
schleckte mir mein Gesicht ab. Ich riss reflexartig meine
Hände vors Gesicht und lachte manisch, als ich alle zehn
Finger unversehrt erblickte.
Ich fingerte nervös in meinem Marlboro-Softpack auf
meinem Nachttisch rum, bis ich endlich mit zitternder Hand
eine Zigarette rausbugsieren konnte. Ich entzündete die
Marlboro mit einem Streichholz und atmete tief durch.
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