Romantiker
Nachdem ich mit Luci im Vudu-Cafe feudal gefrühstückt
hatte, fühlte sich mein Magen schon wieder ganz okay
an. Aus Übermut bestellte ich mir ein Konterbier, mit
dem irrwitzigen Glauben, es würde den Kater vertreiben.
Stattdessen lockte mich mal wieder der Suff und ich widerstand
nicht. Ich betrank mich viehisch.
Als ich heute Morgen aufwachte, fiel mir als erstes auf,
dass ich nicht in meinem Bett lag. Ich lag auf der Seite und
hatte die Embryostellung eingenommen. Mein Kopf ruhte auf
einem Arm. Ein zweiter Arm hielt mich umklammert. An meinen
Rücken schmiegte sich ein warmer Körper. Mir erinnerte
mich bruchstückhaft und mir wurde klar, wo ich war. Ich
lag in Lucis Bett, in Lucis Armen und sie duftete verführerisch
wie der Frühling.
Ich selber roch leider nicht so gut, eher nach einer scheußlichen
Kombination aus Rauch und Bier. Und wenn ich durch den Mund
atmete, bemerkte ich noch einen ekelerhegenden säuerlichen
Geruch. Ich wagte nicht, mit meiner Zunge meinen Mundraum
abzutasten.
Ich löste mich aus der zärtlichen Umklammerung
und schlich mich lautlos ins Bad, voller Selbstekel. Ich duschte
schmerzhaft heiß, damit sich meine Poren öffneten
und all der Schmutz der vergangen Nacht ausgespült würde.
Danach wusch ich mir, in Ermangelung einer Zahnbürste,
den Mund mit Duschgel aus.
Nach dieser selbstquälerischen Tortur fühlte ich
mich zwar angeschlagen, aber auch schon fast wieder wie ein
Mensch. Ich ging in die Küche und kochte Kaffee.
Während die Maschine unter Stöhnen und Spucken
damit beschäftigt war, heißen Kaffee aufzubrühen,
steckte ich mir eine Zigarette an. Ich wartete geduldig und
rauchte gierig. Meine Gedanken schlugen Purzelbäume,
ich konnte ihnen nicht folgen.
Mit einem Tablett auf dem ein schwarzer Kaffe mit einer beiliegenden
Zigarette und ein Milchkaffee standen, betrat ich wieder das
Schlafzimmer.
'Guten Morgen! Mein Name ist Jerry Kotton! Ich bin G-Man
und ich bringe den Kaffee, Madam!', rief ich, als ich an Lucis
Bett trat.
Luci drehte, wälzte und streckte sich in ihrem Bett,
bis sie ihre Augen öffnete.
'Du bist bekloppt! Nicht nur so ein bisschen verrückt,
was ja recht charmant sein kann. Deine Verrücktheit ist
pathologisch! Du machst mir Angst!'
'Ich mache Dir doch nicht wirklich Angst, oder? Ich bringe
Dir doch nur einen Kaffee!'
'Hank, dass mit dem Kaffee ans Bett wäre eigentlich
wirklich charmant, aber guck mal auf die Uhr! Es ist nicht
mal 6!'
'Carpe diem! Pflücke den Tag! Nur der frühe Wurm
wird gefressen oder wie das heißt!'
'Ich werde jetzt mal ausnahmsweise mit Dir Kaffee trinken,
aber nur dieses eine Mal, weil ich weiß, dass mit Dir
etwas nicht stimmt.'
'Alles klar. Was meinst Du?'
'Nein, nichts ist klar. Du trinkst zu viel!', sagte Luci
und guckte mir unbarmherzig in die Augen.
'Was willst Du von mir?'
'Dass Du mir ehrlich sagst, was in Dir vorgeht? Was ist mit
Julia?'
'Du willst wissen, was in mir vorgeht? In mir? Das weiß
ich doch selber nicht. Julia ist Vergangenheit. Es passte
einfach nicht. Nichts passte. Alles Scheiße!'
'Warum passte es nicht?'
'Warum? Warum? Warum? Keine Ahnung! Ich hab sie geliebt,
wirklich geliebt. Aber sie ging mir auf die Nerven. Ich hab's
einfach nicht ertragen. Julia war einfach zu viel. Und trotzdem
vermisse ich sie. Bei jedem Atemzug.'
'Und trotzdem willst Du noch immer heiraten?'
'Ja!'
'Du willst heiraten?'
'Ja!'
'Das verstehe ich nicht.'
'Ich wünsche mir einen Menschen an meiner Seite, der
mit mir die Welt entdeckt, Der bei einem Sonnenuntergang genau
das Gleiche empfindet, wie ich. Der meine Träume versteht
und mit mir Pferde stehlen würde. Der mich mitreißt
und fesselt. Dem ich wichtig bin. Und der mir wichtig ist.'
'Aber warum heiraten?'
'Heiraten ist natürlich totales Spießertum. Aber
ich will an die Worte »Bis das der Tod euch scheidet«
glauben. Ich weiß genau, dass fast jede zweite Ehe geschieden
wird. Aber ich will trotzdem an die Ehe glauben.'
'Du bist ein Romantiker! Und jetzt lass uns noch ein wenig
schlafen. Komm her.'
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