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TAGEBUCH: 06.05.2004 notes of a dirty old man
Voodoo-Frühstück

Voodoo-Frühstück

Ein tiefbassiges Dröhnen aus der Mitte meines Schädels riss mich aus dem Schlaf. Mein Nacken war verspannt und in ihm steckten mindestens 384 Nadeln. Mir war schummrig und flau und kotzübel. Außerdem hatte ich eine beängstigende Sehstörung. Nicht nur, dass ich schielte, wie Clarence, der Löwe aus der Fernsehserie 'Daktari', ich nahm meine Umgebung auch nur noch in Schwarz/Weiß wahr. Ich hatte einen inkommensurablen Kater.

Trotz, oder gerade wegen, aller Schmerzen, versuchte ich irgendwie meine Hausapotheke, die Schublade in der Küche mit all den bunten Pillen, zu erreichen. Meine Beine waren mir dabei keine große Hilfe. Denn in der letzten Nachten hatten sie eine eigenartige Mutation erfahren und waren am heutigen morgen aus Götterspeise. Ich entschied mich, zu robben.

Das Dröhnen aus der Mitte meines Hirns wurde stärker und pulsierte mittlerweile mit meinem rasenden Herzschlag. Aber ich nahm noch ein weiteres befremdliches Pulsieren in meiner Lendengegend wahr.

Ich blickte an mir herunter und was ich sah, irritierte mich. Ich war vollständig bekleidet: Pullover, T-Shirt, Jeans, hoffentlich auch Shorts, Socken und auch noch Schuhe. Ich notierte mir kurz: Bett frisch beziehen!

Ganz langsam wurde mir klar, was die Ursache für das verstörende Pulsieren nahe meiner Kronjuwelen war. Mein Handy! Doch nicht Hodenkrebs, wie ich befürchtete hatte. Glück gehabt! Das Handy, das noch immer in meiner Hosentasche steckte, vermeldete vehement und vibrierend einen Anruf. Ich drehte mich auf den Rücken und fingerte unbeholfen an meiner Hose rum, bis ich das Telefon endlich zu fassen kriegte und zu meinem Ohr führte.

'Mein Name ist Jerry Cotton. Ich bin Special Agent des FBI. Und...'

Ein herzhaftes Lachen vom anderen Ende der Leitung unterbrach meinen Redefluss.

'Du bist definitiv nicht Jerry Cotton!', antwortete eine rauchige Frauenstimme. 'Du klingst, als ob Du einen Waschbären im Mund hättest. Du solltest mal Deine Zunge rasieren, vielleicht nehme ich Dir ja dann den Cotton ab.'

'Und Du klingst ätzend frisch und viel zu gut gelaunt und überschäumend lebendig!', ich machte eine kurze Pause, die ich dazu nutzte, mir Klarheit über die Anruferin zu verschaffen. Ich kannte die Stimme, war ich mir fast sicher. Aber zu wem gehörte sie? 'Ich weiß nicht, ob ich das gerade ertrage! Was treibst Du gerade?', fragte ich, um mir weitere Informationen und Bedenkzeit zu verschaffen.

'Ich sitze hier mit einer Freundin im Vudu-Cafe und warte auf Dich!'

So ganz allmählich wurde mir diese Unterhaltung unheimlich. Mit wem sprach ich da überhaupt? Was hat es mit dieser Freundin auf sich? Hatte ich eine Verabredung vergessen? Mit wem?

'Wir waren doch gar nicht verabredet!', sagte ich mit Zweifel in der Stimme.

'Und? Hast Du etwas Besseres vor? Schwing Deinen müden Arsch hier her. Ich sag es nicht noch einmal, ich erwarte Dich hier.'

'Gibt es eine besondere Notwendigkeit?', fragte ich, um endlich einen Hinweis auf die Identität der Anruferin zu bekommen.

'Mann! Hank! Bist Du schwierig! Steig jetzt unter die Dusche und schwing Dich dann aufs Rad. Seit wann brauchen wir »besondere Notwendigkeiten«. Sag mal, hörst Du Dir eigentlich gelegentlich mal selber zu? Du redest manchmal so einen Mist!', ihre Stimme klang jetzt ärgerlich. 'Komm einfach rüber. Oder lass es. Ich warte jetzt noch genau 30 Minuten.'

Es machte Klick. Die rauchige Frauenstimme war entschwunden. Ich stieg, nachdem ich mir ein Cocktail aus Schmerztabletten verabreicht hatte, unter die Dusche. Währenddessen dachte ich über das Telefonat und die Anruferin nach. Die bohrenden Kopfschmerzen, die sich über den Nacken bis zu meinen Waden hinzogen, verhinderten jeden erkenntnisbringenden Gedanken. Aber mein Interesse war geweckt. Ich wollte wissen, wer mich angerufen hatte und mich ganz offenbar gut kannte.

Da ich vom Vudu-Cafe noch nie etwas gehört hatte, also auch nicht wusste, wo es gelegen war, bestieg ich ein Taxi und nicht mein übliches Fortbewebungsmittel, das Hollandrad. Außerdem schmerzte meine Körper, ich war faul, müde und hatte Angst vor einem strapaziösen Weg.

Das Taxi hielt nach einer nicht mal zehnminütigen Fahrt. Ich zahlte, gab, weil ich jeglichen Komplikationen ausweichen wollte, ein viel zu hohes Trinkgeld und stieg mit den immer passenden Worten, 'Stimmt so! Vielen Dank! Schönes Leben noch!', hektisch aus.

Als ich mit wackligen Beinen vor dem Vudu-Cafe auf dem Gehsteig stand, guckte ich erst einmal in den Himmel, wobei ich die Augen schloss, weil die überströmende Helligkeit zu sehr schmerzte. Dabei atmete ich vier- oder fünfmal tief durch und versuchte mich dann zu orientieren, was mir nicht gelang. Dann riss ich mich, meinen restlichen Mut und all meine Gliedmaßen zusammen und betrat das Café.

Ich stand in einem dieser exratordinären Räumlichkeiten, die auf skurrile Weise brutalen Fabrik-Look mit Modern-Style kreuzte, was ja zurzeit angesagt war und so das hippe und zahlungskräftige Publikum anlockte. Der Laden war gut besucht und so hatte ich massive Schwierigkeiten, mir einen Überblick zu verschaffen. Auf mich prasselten gleichzeitig viel zu viel Eindrücke nieder: Menschen. Gesprächsfetzen. Gerüche. Licht.

Mir wurde erst etwas schummrig dann ernsthaft schwindelig. Ich schloss meine Augen, um mich besser auf meine Beine konzentrieren zu können. Ich hatte die Befürchtung, dass meine Beine versagen könnten und ich, wie ein frisch gefällter Baum geradlinig zu Boden fallen könnte.

Durch die Dunkelheit und durch das alle Sinne betäubende Stimmengewirr glaubte ich meinen Namen zu hören. Es klang nach derselben Stimme, die ich auch schon am Telefon gehört hatte. Trotzdem traute ich mich nicht, meine Augen zu öffnen. Ich traute der Stimme nicht, ich glaubte an eine Halluzination. Ich war mir auch gar nicht mehr sicher, ob ich überhaupt ein Telefongespräch geführt hatte. Ich war gerade nur froh, dass ich es fertig brachte, zu stehen.

Ich erschrak. Plötzlich spürte ich eine warme, zarte Hand, die meine Hand fest griff. Eine Frauenstimme, die Stimme, sagte: 'Hank, komm mit.' Ich wagte noch immer nicht, meine Augen wieder zu öffnen. Stattdessen ließ ich mich wie ein Blinder mit selbstaufgeberischem Vertrauen führen.

Als ich auf einen soliden Stuhl navigiert wurde und mich wieder einigermaßen sicher fühlte, ließ ich die Hand, die mich geführt hatte, trotzdem nicht los. Ich öffnete wieder meine Augen und blickte in ein strahlendes Gesicht, dass ich sehr gut kannte und ich schämte mich für meine zeitweilige Amnesie.

'Toll, dass Du endlich hier bist!', sagte die rauchige Stimme. 'Du brachst jetzt sicher erst mal einen großen Topf Kaffee, nicht wahr?'

'Luci, um ehrlich zu sein, ich bin im Arsch. Kaffee wäre wunderbar. Du bist wunderbar. Und ein üppiges Frühstück wäre auch wunderbar.'

'Du bekommst alles, was Du willst!', sagte Luci und schenkte mir einen verheißungsvollen Augenaufschlag.

Ich hatte ihre Hand noch immer nicht losgelassen.

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