Erdbeben
Manchmal macht man Pläne und dann kommt doch alles
anders, als man sich das gedacht hat. Das Leben lässt
sich nicht am Reißbrett planen, hin und wieder kommt
es zu unerwarteten Erschütterungen.
Ich hatte gestern doch wieder einmal mehr gesoffen, als ich
wollte und als mir gut tat. Aber das merkte ich natürlich
erst wieder viel später.
Gestern, an meinem Geburtstag, waren alle da und alle wollten
mit mir anstoßen. Und trotz meiner schlechten Grundstimmung,
machte ich mit und verfiel wieder einmal der Bierlaune - dem
Suff.
Meiner Erfahrung nach macht es einen bedeutenden Unterschied,
in welcher Gemütsverfassung man Alkohol konsumiert. Ein
Fun-Besäufnis hat wesentlich weniger schmerzhafte Nachfolgen,
als ein Frust-Besäufnis, das eigentlich immer zu einem
schrecklichen Kater und Depressionen führt.
Diesmal war es eher kein typisches Fun-Besäufnis.
In der letzten Nacht hatte ich nur wenig Schlaf gefunden.
Der Boden rotierte unter mir, oder ich rotierte mit meinem
Bett. Jedenfalls durchlitt ich einen heftigen Seegang.
Hinzu kam mein schlechtes Gewissen und all die dunklen Gedanken
bezüglich Julia, die neben mir schlief und sich an mich
kuschelte und nichts von meinen 'Ich-mache-Schluss' Plänen
ahnte. Ich kam mir schäbig vor. Ich verachtete mich in
diesem Moment. So sehr, dass ich mich übergeben musste.
Als ich aus dem Bad zurückkam, war Julia wach:
'Was ist los, mein Bär? Bist Du besoffen?'
Natürlich war ich besoffen. Was soll die alberne Frage?
Aber ihre Stimme klang gar nicht vorwurfsvoll, sondern liebevoll.
Sie streichelte mein Herz.
'Wahrscheinlich! Ich fühle mich kotz-elend!'
'Komm her. Ich halte Dich! Dann schaukelt es nicht so. Lass
mich Dein Anker sein.'
Warum sagte sie so was? Warum war sie so wunderbar? Ich war
bereits Wachs in ihren Händen. Nun war ich komplett willenlos.
Ich stieg zu ihr ins Bett und schmiegte mich an sie. Julia
umklammerte mich und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn.
Mir war nach weinen, aber ich verbot es mir. Lediglich ein
paar einzelne Tränen krochen mir übers Gesicht.
'Warum bist Du so wunderbar?'
'Versuch jetzt zu schlafen.'
'Ja! Nein! Warum bist Du so wunderbar? Ich habe Dich doch
gar nicht verdient.'
Sie streichelte mir übers Haar und küsste mich
wieder zärtlich auf die Stirn.
'Bär, schlaf jetzt. Ich pass auf Dich auf.'
Ich schlief ein.
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