Freizeit vs. freie Zeit
Wenn man nicht beschäftigt ist, kommt Langeweile auf
und man fängt an, zu grübeln. Über alles. Über
die Brötchenpreise beispielsweise. Oder warum die Sonne
nicht nachts scheint, denn tagsüber ist es ja eh hell.
Man kommt auf komische Gedanken. Und ganz allmählich
stellt man alles in Frage.
Irgendwann stellte ich meine Beziehung zu Julia in Frage.
Nicht zum ersten mal. Aber diesmal fühlte es sich anders
an: schwerer, dunkler.
Ich ging zum Plattenregal und suchte die zweite LP von den
Tindersticks raus und legte sie in den CD-Player. Danach ging
ich auf die Dachterrasse und nahm mir eine Flasche aus der
allzeit bereit stehenden König Pilsener Kiste. Ich ging
zurück ins Wohnzimmer und zog die Vorhänge vor,
damit mich die Sonne nicht blendete, es war ca. 14 Uhr und
verdammt hell. Ich drückte die Play-Taste, entfernte
den Kronkorken der Bierflasche mit meinem orangenen Big-Feuerzeug
und entflammte eine Marlboro. Mit den ersten Tönen von
'El diablo en el ojo' ließ ich mich in den Sessel rechts
vom Couchtisch sinken und nahm einen großen Schluck
und einen tiefen Zug.
Ich saß einfach nur da. In der linken Hand die KöPi-Flasche
und in der rechten die Zigarette. Hörte der Musik zu
und dachte erst einmal an gar nichts.
Nach dem herzzerreißendem 'Tiny Tears' stand ich auf
und holte mir noch ein Bier. Auf der Dachterrasse stach mir
das Tageslicht in meine an die Dunkelheit gewöhnten Augen
und riss mich aus meinem Dämmerzustand.
Ich kehrte zurück ins Wohnzimmer, schob die Vorhänge
zurück und legte die Body Count LP mit 'Cop Killer' auf.
Ich war in einer sehr aggressiven Stimmung, was für
mich eher ungewöhnlich war und mich auch immer wieder
erschreckte. Aber würde Bruce
mir jetzt irgendwie dumm kommen, ich würde ihn gegen
die Wand kicken.
Ich öffnete die Bierflasche mit meinen Zähnen und
zerkaute den Kronkorken. Dann spuckte ich ihn in hohem Bogen
durchs Zimmer. Ich sprang auf und hüpfte rhythmisch zur
Musik auf und ab, wie Rumpelstilzchen.
Nach etwa einer viertel Stunde fiel ich erschöpft in
einen Sessel zurück. Ich japste nach Luft. Das Blut rauschte
durch meinen Kopf. Ich schwitzte.
Ich entzündete mir eine Zigarette und inhalierte den
ersten Zug sehr tief und sehr lange. Mir wurde schwindelig.
Tausend Gedanken und Bilder schossen mir durch den Kopf.
Ich brauchte eine Auszeit. Von Julia. Es war vorbei.
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