Hank hat den Blues
Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn man beim Aufwachen
statt einer Zunge einen Bieber im Mund hat. Solche tage sind
meisten sehr anstrengend und wollen einfach nicht enden.
Nach dem unerwarteten Anruf von Samira
stand ich komplett neben mir.
Obwohl sie nichts persönliches sagte oder fragte, das
ganze Gespräch eher oberflächlich verlief, empfand
ich es als nett. Ihre Stimme war mir direkt wieder vertraut.
Aber nach dem Telefonat fühlte ich mich irgendwie leer.
Ich saß auch dem Sofa, was gleichzeitig mein Schlafplatz
war, und empfand nichts. Dachte an nichts. Ich war total dumpf.
Aus dieser Starre entriss mich Cris,
der mit zwei Flaschen wohltemperiertem Bier
auf einmal vor mir stand. Er reichte mir eine Flasche und
schlurfte rüber zur Anlage. Aus einem der unzähligen
Stapel zog er entschlossen eine CD heraus und legte sie in
den CD-Player. Als er sich zu mir setzte und seine Flasche
zum obligatorischen Anstoßen zu mir reckte, erklang
'See No Evil', der erste Song von Television großartiger
Scheibe 'Marquee Moon'.
Ich war Cris für
seine Wahl unausgesprochen dankbar. Hätte er irgendwie
traurige Liebeslieder ausgewählt, währe ich wohl
zergangen, wie eine Kerze in der Sonne. Ich brauchte bestimmt
nicht den Blues, den hatte ich selber. Blues makes man blue!
Cris und ich tranken
zusammen Bier und redeten die ganze Nacht über Samira.
Wir sprachen über die alten Tage. Über die tollen
und die nicht so guten. Und warum ich damals meine Zelte hier
abgebrochen hatte. Aber eigentlich beschäftigte mich
nur eine Frage, warum hatte Samira
mich überhaupt angerufen?
Wir redeten und wir tranken und redeten, hörten Musik
und tranken noch mehr.
Der nächste Tag war natürlich verloren.
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