Strombus costatus - die Fechterschnecke
Die Fechterschnecke ist ein Symbol der Karibik, denn seit
Urzeiten wird sie ihrer hübschen Schale, der gelegentlich
von ihr produzierten Perlen und besonders ihres schmackhaften
Fleisches wegen von der karibischen Inselbevölkerung
und den in grosser Zahl anreisenden Touristen gleichermassen
geschätzt.
Wie ungezählte andere Tierarten, deren
Körperteile oder Erzeugnisse der Mensch begehrt, ist
die Fechterschnecke mittlerweile leider auch zu einem Symbol
der menschlichen Habgier und Masslosigkeit geworden.
Eine »geflügelte« Meeresschnecke
Die Fechterschnecke (Strombus costatus)
ist eine Meeresschnecke aus der Familie der Flügelschnecken
(Strombidae). Wie der Familienname sagt, ist bei den Flügelschnecken
der sogenannte Mundrand der Schale flügelartig
verbreitert. Im übrigen weisen sie am vorderen Ende der
Schale eine rinnenartige Aufwölbung auf, durch welche
gewöhnlich eines der gestielten Augen vorragt. Alle Flügelschnecken
leben vorzugsweise in seichten Gewässern mit sandigem
Boden und ernähren sich dort von Algen und allerlei pflanzlichen
Abfällen.
Zur Gattung Strombus gehören rund fünfzig
Arten, von denen die meisten im Indopazifik zu Hause sind.
In der Karibik leben neben der Fechterschnecke noch die Hahnenschwanz-Schnecke
(Strombus gallus) sowie S. costatus,
S. pugilis und S. raninus.
Von ihren Verwandten lässt sich die Fechterschnecke
leicht anhand ihrer ungewöhnlichen Grösse unterscheiden:
Die Schale der erwachsenen Tiere wird durchschnittlich 21
Zentimeter lang, wobei die der Männchen im allgemeinen
etwas kleiner ist als die der Weibchen. Auch das Gewicht der
Fechterschnecke ist bemerkenswert: Einschliesslich ihrer Schale
kann sie über 2.5 Kilogramm wiegen.
Roller, Blatt- und Sambaschnecken
Das Aussehen der Fechterschnecke verändert
sich im Verlauf ihres etwa sechs Jahre währenden Lebens
augenfällig. Dies hat dazu geführt, dass die Bewohner
der Karibikinseln den Tieren je nach Altersklasse unterschiedliche
Namen geben. Auch die früheren Wissenschaftler liessen
sich täuschen und unterschieden fälschlicherweise
mehrere Arten.
Die Schale junger Fechterschnecken weist
eine rundliche Form ohne Flügel auf.
Solche Tiere heissen in der Karibik Roller
oder Rundschnecken.
Im Alter von etwa drei Jahren erreicht das eigentliche Gehäuse
der Fechterschnecke seine volle Grösse.
Nun beginnt das Tier mit der Bildung des flügelartigen
Mundrands. Voll ausgewachsene Fechterschnecken werden dann
Starke Schnecken oder Blattschnecken
genannt.
Gelegentlich werden aber auch sehr kleine Fechterschnecken
mit stark ausgeprägtem Flügel gefunden. Die lokale
Bevölkerung nennt solche Tiere Sambaschnecken
oder Sangaschnecken.
Mit zunehmendem Alter nutzt sich der Flügel an den
Rändern stark ab, und dasselbe geschieht auch mit den
anfänglich spitzen, dornenartigen Aufsätzen des
Gehäuses; sie werden zusehends stumpfer und stummelförmig.
In der Regel ist das Gehäuse älterer Fechterschnecken
auch dicht mit Algen, Seegräsern und Korallen bewachsen,
wodurch die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung ausgezeichnet
getarnt sind.
Ruckartiges Gehen
Die Fechterschnecke ist über den ganzen
karibischen Raum verbreitet, nordwärts bis nach Bermuda
und Südost-Florida, südwärts bis Kolumbien
und Venezuela. Im allgemeinen hält sie sich in Seegras-Wiesen
in seichten Gewässern auf und ernährt sich dort
von Algen, die auf dem Sand und auf abgestorbenen Seegrasblättern
wachsen.
Wie alle Meeresschnecken besitzt die Fechterschnecke
einen Schalenverschlussdeckel (Operculum),
der aus hornigen Stoffen aufgebaut ist. Dieser Deckel dient
den meisten Schneckenarten zum Verschliessen ihres Gehäuses.
Die Fechterschnecke benutzt ihn hingegen
für die Fortbewegung: Das fingernagelähnliche Operculum
wird von der Fechterschnecke in den Sand
gesteckt, dann zieht sich der muskulöse Fuss ruckartig
zusammen, und so erfolgt eine für Schnecken sehr ungewöhnliche
schrittweise Vorwärtsbewegung, welche jeweils etwa eine
halbe Körperlänge ausmacht.
Dieses ruckartige Gehen hat den
Vorteil, dass die Fechterschnecke - im Gegensatz
zu den anderen Schneckenarten, welche über den Meeresboden
gleiten - keine chemische Geruchsspur hinterlässt, der
ein Fressfeind folgen könnte. Ausserdem kann sie sich
dank ihres Operculums schnell wieder aufrichten, wenn sie
etwa bei schwerem Seegang auf die Seite geworfen wird.
Die Karibikbewohner behaupten im übrigen, dass die
Fechterschnecke bei Beunruhigung mit dem
Verschlussdeckel, welcher messerscharfe Ränder aufweist,
um sich schlage und einem watenden Menschen tiefe Wunden zufügen
könne. Dieser bislang unbestätigten Verhaltensweise
verdankt die Fechterschnecke ihren deutschen Namen.
750 000 Eier pro Laichpaket
Die Geschlechtsreife erreichen Fechterschnecken
mit drei oder vier Jahren. Für die Fortpflanzung, welche
zumeist in den wärmeren Monaten des Jahres stattfindet,
wandern die Tiere von ihren tiefer gelegenen Weidegründen
in seichteres Wasser und paaren sich dort. Jedes Weibchen
setzt dann in der Folge mehrere Laichklumpen ab. Diese bestehen
aus einer einzelnen, klebrigen und vielfach verschlungenen
Gallertschnur, in der die Eier - bis zu 750 000 Stück
- eingebettet sind. Das ganze Gebilde misst
zehn bis fünfzehn Zentimeter und ist schon bald mit Sandkörnern
dermassen übersät, dass es sich kaum mehr vom Hintergrund
abhebt.
Die Larven schlüpfen vier bis fünf Tage nach der
Eiablage und treiben dann während zwei bis vier Wochen
an der Wasseroberfläche. Sie sind mit einem Wimpergürtel
für die eigenständige Fortbewegung und mit einem
segelförmigen Anhängsel, der das Schweben im Wasser
unterstützt, ausgestattet. Durch Umwandlung dieser Organe
verwandeln sich die Larven schliesslich in winzige Fechterschneckchen,
welche auf den Meeresgrund absinken und sich sofort im Sand
vergraben. Dort bleiben sie etwa ein Jahr lang, ernähren
sich von mikroskopisch kleinen Algen und wachsen, vor Feinden
weitgehend geschützt, heran.
Die halbwüchsigen Fechterschnecken
halten sich dann in möglichst dichten Seegrasbeständen
auf, wo sie nachts an der Oberfläche auf Nahrungssuche
gehen und sich jeweils tagsüber wieder im Sand verstecken.
Trotz aller Vorsichtsmassnahmen fallen viele Fechterschnecken
in diesem Lebensabschnitt Fischen, Meeresschildkröten,
Hummern, Krabben und anderen räuberischen Meeresschnecken
zum Opfer.
Auch im Erwachsenenstadium sind die Fechterschnecken
vorwiegend nachts rege. Sie haben aber kaum noch natürliche
Feinde - von Karettschildkröten und Kraken vielleicht
abgesehen. Ein schlimmer Feind der erwachsenen Fechterschnecken
ist hingegen der Mensch. Von alters her fängt er die
bedächtigen Tiere, wo immer er sie findet.
Signalhörner, Porzellan und Broschen aus Fechterschnecken-Schale
Die Schale der Fechterschnecke wurde früher
- mit abgeschliffener Spitze - von den Fischern als Trompete
benutzt. Mit solchen Signalhörnern wurden
ferner auf den Zuckerrohrplantagen die Sklaven von den Feldern
gerufen. Seit langer Zeit dient die hübsche Schale auch
dekorativen Zwecken: Schon im 16. Jahrhundert wurde sie als
Zimmerschmuck nach Europa gebracht, und noch heute steht sie
in Vorstadtvillen ebenso wie in Bauernhäusern. Die massiven
Schalenteile wurden auch gerne für die Herstellung geschnittener
Broschen (Kameen) verwendet. Und pulverisierte Fechterschneckenschalen
dienten vorübergehend der Herstellung besonders feinen
Porzellans. Allein zu diesem Zweck wurden in einem einzigen
Jahr zu Beginn unseres Jahrhunderts 300 000 Schalen von den
Bahamas nach Liverpool (England) verschifft.
Perlen werden von der Fechterschnecke sehr
selten gebildet: Nur etwa jede Zehntausendste enthält
in ihrem Körper eines der kostbaren Schmuckstücke.
Wie bei den Perlmuscheln und der Auster ist die Ursache für
die Bildung einer Perle im allgemeinen ein Fremdkörper,
der zum Beispiel durch eine Verletzung ins Bindegewebe des
Tiers gelangt ist. Fechterschnecken-Perlen können so
gross sein wie die Beeren einer Weintraube. Trotz ihrer Grösse
waren sie aber nie so wertvoll wie die Muschelperlen, da ihnen
der Perlmutterglanz fehlt und ihre Rosafärbung im Sonnenlicht
rasch verblasst.
10 bis 15 Millionen Fechterschnecken werden alljährlich
verzehrt
Der Hauptgrund für den Fang der Fechterschnecken
ist von alters her aber ihr schmackhaftes weisses Muskelfleisch.
Seit Jahrhunderten ist es ein wichtiges Nahrungsmittel der
Karibikinsel-Bewohner wie auch ein einträglicher Exportartikel,
und noch heute gilt es als eines der bedeutendsten Fischereierzeugnisse
der Karibik.
Ursprünglich wurden die Lebensgebiete der Fechterschnecken
mit hölzernen Segelschiffen angesteuert, wo die Tiere
dann von kleinen Ruderbooten aus mit langen Hakenstangen eingesammelt
wurden. Heute werden im allgemeinen Fiberglasboote mit Aussenbordmotoren
eingesetzt. Damit lassen sich auch die entlegeneren Weidegründe
der Fechterschnecken erreichen, wo die Bestände noch
wenig ausgefischt sind. Die meisten
Schneckensammler verwenden lediglich Taucherbrille und Flossen
und können in seichten Gewässern bis 600 Exemplare
in vier Stunden sammeln. Da die Bestände der Fechterschnecken
aber vielerorts stark abgenommen haben, kommen mehr und mehr
auch Atemgeräte zum Einsatz, so dass die Sammler bis
in Tiefen von vierzig Metern auf Schneckenjagd
gehen können.
10 bis 15 Millionen Fechterschnecken werden
schätzungsweise pro Jahr im karibischen Raum gesammelt.
Etwa sechs Millionen werden jährlich in der Karibik selber
verspeist. Weitere sechs Millionen werden in die USA exportiert,
wo besonders in New York, Kalifornien und Florida viele karibische
Auswanderer leben, die auch in ihrer neuen Heimat auf dieses
Nahrungsmittel nicht verzichten wollen.
Die meisten Fechterschnecken, welche in
die USA gelangen, stammen heute aus Kolumbien, Honduras und
den Turks-und-Caicos-Inseln. Früher wurden auch an den
Küsten Floridas Fechterschnecken gesammelt, doch waren
die Bestände schon bald dermassen übernutzt, dass
aus naturschützerischen Überlegungen heraus jeglicher
Fang der Tiere verboten wurde.
Grosse Mengen Fechterschnecken, welche
für den Verzehr in der Karibik bestimmt sind, werden
auf Kuba gefangen. Aber auch die Bahamas, die Dominikanische
Republik sowie all die kleinen Inseln der östlichen Karibik
haben eine lange Schneckenfang-Tradition, was aus den riesigen
Haufen weggeworfener Schalen ersichtlich ist, denen man auf
den meisten Inseln begegnen kann.
Neuerdings wird der Fechterschnecke übrigens von seiten
der Medizin grosse Beachtung geschenkt: Zum einen scheint
das Fleisch die Widerstandskraft der Karibikbewohner gegen
die Kinderlähmung zu heben, zum anderen ist es wahrscheinlich
für das auffallend geringe Auftreten der Kupfermangelanämie
bei Säuglingen in den Bahamas verantwortlich.
Schutzmassnahmen sind dringend erforderlich
Der übermässige Fang der Fechterschnecken,
vor allem verursacht durch den wachsenden Markt in den USA
und den enormen Zuwachs der Inseltouristen, hat dazu geführt,
dass die Bestände im gesamten Verbreitungsgebiet stark
geschrumpft sind. Es braucht immer mehr Zeit und Aufwand seitens
der Schneckensammler, um genügende Mengen der Tiere zu
beschaffen. Oft werden darum auch jüngere Exemplare gefangen,
welche noch keine Gelegenheit hatten, sich fortzupflanzen,
und dies wirkt sich natürlich auf die ohnehin bedrängten
Bestände verheerend aus.
Da der Import von Nahrungsmitteln auf den Karibikinseln wegen
der weiten Transportwege sehr teuer ist, sind lokale Nahrungsquellen
besonders wichtig. Es ist darum sehr im Interesse der verschiedenen
Karibiknationen, dass die Nachhaltigkeit des Fechterschneckenfangs
gewährleistet ist. Die meisten von ihnen haben darum
die eine oder andere Form der Fangbeschränkung für
Fechterschnecken eingeführt. So soll
verhindert werden, dass diese wichtige Nahrungs- und Einnahmequelle
über kurz oder lang völlig zerstört wird. Zu
den getroffenen Massnahmen gehören beispielsweise: vollständiges
Fangverbot, vorübergehende Schonzeit, festgelegte Maximalfangquoten,
Verbot des Fangs halbwüchsiger Schnecken, Verbot der
Verwendung von Atemgeräten und Ausweisen von Schutzgebieten.
WWF-Modell für die nachhaltige Nutzung der Fechterschnecke
Bereits vor Jahren hat der Welt Natur Fonds
(WWF) ein Projekt an die Hand genommen, welches den verschiedenen
Karibiknationen Mittel und Wege aufzeigen soll, wie sie ihre
Fechterschnecken-Bestände optimal schützen
und gleichzeitig nutzen können. Grosse Bedeutung wurde
hierbei einer einheitlichen Gesetzgebung beigemessen: Es wurde
ein umfassendes Massnahmenpaket erarbeitet und zur Verwendung
vorgeschlagen. Des weiteren wurde auf der Antilleninsel St.
Lucia ein Modell für die nachhaltige Nutzung der Fechterschnecken
entwickelt. Dieses Modell ist bei den verschiedenen Fischereiaufsehern
auf grosse Beachtung gestossen.
Fangbestimmungen und Nutzungsprogramme sind jedoch von geringem
Wert, wenn die Unterstützung durch die ansässige
Bevölkerung fehlt. Viele Inselbewohner wissen überhaupt
nichts über die Biologie der Fechterschnecken.
So glauben sie beispielsweise, die Tiere würden aus Gruben
auf dem Meeresboden entspringen. Eine Schlüsselrolle
im WWF-Projekt spielt daher die Entwicklung von Broschüren
und anderen Informationsmaterialien, welche den komplizierten
Lebenslauf der Fechterschnecken in einfachen Worten und Bildern
aufzeigen. Man hofft, auf diese Weise das Verständnis
der lokalen Bevölkerung für die getroffenen Nutzungsbeschränkungen
zu gewinnen.
Grosse Anstrengungen sind im übrigen unternommen worden,
um Fechterschnecken in Farmen zu züchten.
Mehrere Anlagen sind bereits in Betrieb, so zum Beispiel auf
den Turks-und-Caicos-Inseln und auf Bonaire (Niederländische
Antillen). Aber obschon bereits mehrere Millionen US-Dollar
in diese Zuchten investiert wurden, sind noch längst
nicht alle Probleme - besonders hinsichtlich der Ausbürgerung
der gezüchteten Tiere - gelöst. Bis es soweit ist,
gilt es, zu den freilebenden Fechterschnecken-Populationen
grösste Sorge zu tragen.
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