Ein Leserbrief zum Thema:
.....möchte ich als Künstler die
aufgezeigte Charakterisierung des Bohemien so nicht stehen
lassen, weil sie so nicht stimmt.
Der Versuch die Boheme als leichtlebig und
unbekümmert darzustellen, zeugt von viel Oberflächlichkeit
und Unwissenheit bei der Einschätzung selbiger.
Die Gruppierung der Boheme machte zu Beginn
des 19.Jhd. in Europa und den Vereienigten Staaten von sich
reden. Sie kleideten sich einfach, wohnten in ärmlichen
Stadtvierteln, lasen viel, waren meist Künstler und Kreative,
die an Geld wenig interessiert waren.
Bohemien finden sich in allen Schichten und Klassen der Gesellschaft.
Die Boheme kann überall sein: Sie ist
kein Ort, sondern eine Geisteshaltung!
Bohemien sind Künstler, Intellektuelle,
die den Auswüchsen der bürgelichen Gesellschaft
sehr kritisch, ja ablehnend und verachtend gegenüber
stehen.
Unter den Bohemien finden sich so große
Namen wie Gustave Flaubert, Proust, Brian Howard, Charles
Baudelaire, Henry Thoreau, Victor Hugo....
Die Boheme hat der dem spießigen Bürgertum
vorgeworfen, daß es die Bedeutung des Reichtums überschätzt,
das es das Scheitern vorschnell verurteilt und den äußerlichen
Erfolg sklavisch anbetet, dass es sich an verlogene und oberflächliche
Begriffe von Anstand und Moral klammert, das es berufliche
Qualifikation mit Begabung gleichsetzt, das es die Bedeutung
der Kunst, der Empfindsamkeit, des Spiels wie der Kreativität
unterschätzt und in übertriebenem Maß auf
Ordnung, Regeln, Bürokratie und Pünktlichkeit besteht.
Die Boheme hat die geistigen anstelle materieller
Wertmaßstäbe befürwortet. Zudem lehrt das
Vorbild der Bohemiens gerad diejenigen, denen das herrschende
Statussystem am meisten zusetzt, dass Abweichlertum eine lange
und illustre Geschichte hat - von den Pariser Dichtern des
19. Jahrhunderts über die spielerische Subversion der
Dada-Bewegung bis hin zu den provencialischen Picknick der
Surrealisten....
Im weitesten Sinne hat die Boheme der Suche
nach einer alternativen Lebensweise Legitimität verliehen,
sie hat eine Subkultur hervorgebracht, in der die vom bürgerlichen
Mainstream vernachlässigten oder ignorierten Werte zu
ihrem Recht.
Es gäbe dazu noch vieles zu schreiben
und zu sagen, doch möchte ich es nun erst einmal dabei
belassen...
Joanna |